Freitag, 31. Dezember 2010, English Harbour, Freeman's Bay

 

In der Nacht hat es ziemlich gepfiffen und auch heute morgen bläst es noch mit 6. Um kurz nach neun gehen wir Ankerauf und drehen unter Maschine noch eine ausführliche Runde durch die riesengroße Nonsuch Bay (ungefähr 1,5 mal 1,0 nm). Zwischendrin muß ich mal wieder das Laufrad des Logs reinigen, weil wieder keine Fahrt durchs Wasser angezeigt wird. Diesmal mache ich es etwas gründlicher mit einem kleinen Schraubenzieher. Mit dem Bürsten habe ich wohl nicht die kleinen Algen oder Halme (was immer sich da festgesetzt hat), die sich direkt links und rechts vom Laufrad um die Achse gewickelt haben, wegbekommen. In der Bucht gibt es überall Riffe, die man aber bei hochstehender Sonne gut an der bräunlich grünen Farbe erkennen kann. Wir fahren an tollen Ferienanlagen vorbei in kleine Nebenbuchten, die ganz windgeschützt liegen und noch weniger Wellen haben. Da hätten wir in der vergangenen Nacht noch ruhiger gelegen. Auch die Mirabela V können wir uns jetzt aus der Nähe ansehen. Sie geht gerade ankerauf, als wir vorbeifahren. (Jetzt habe ich die Mirabela V gerade mal gegoogled: Größte einmastige Segelyacht der Welt, Masthöhe 91,44 m, Länge 75,20 m laut Wikipedia. Franz, dagegen würde selbst die Blue Merlin wie ein Beiboot wirken).

 

Draußen kommen wir unter Genua mit 7 bis 8 Knoten gut voran. Ich steuere den Fast-Vormwindkurs von Hand, dennoch kann ich nicht verhindern, dass die Genua 3 mal zusammenklappt und mit lautem Knall und dröhnendem Rigg wieder den Wind einfängt. Das sollte nicht zu oft passieren, denn das mögen weder die Nähte des Segels noch Wanten, Stagen, Mast, Spanner … Nach dem Schiften – hierzu drehen wir die Genua zur Hälfte weg – lassen wir es bei dieser Besegelung. 6 Knoten FdW sind uns auch schnell genug. Kurs vor English Harbour sehen wir jede Menge große Yachten, die offenbar eine Regatta fahren. So ein großer Schoner unter Vollzeug mit einer Mordslage, dabei heftig stampfend, das sieht schon toll aus.

 

Um 12 Uhr laufen wir in die Freeman's Bay, das ist sozusagen der Eingang von English Harbour, ein. Hier liegen schon 30 Boote dicht gepackt vor Anker und wir brauchen eine ganze Weile, bis wir einen Platz finden. Schließlich ankern wir relativ dicht vorm Strand, nachdem 3 Versuche wegen nicht haltenden Ankers fehlgeschlagen sind. Wie ich später beim Tauchen feststelle, ist der Grund nämlich mit Steinplatten gespickt. Sollte man gar nicht erwarten bei dem feinen Sandstrand ganz in der Nähe. Der Anker liegt in 4 m Tiefe, da ist der Schwojkreis bei 25 m Kette nicht so groß.

 

Fahre mit dem Schlauchboot zur Marina (Nelson's Dockyard, wo wir Weihnachten gelegen haben), bringe Müll weg, versuche nochmal mein Glück bei der Post (wieder Fehlanzeige, weil geschlossen) und besuche die Ospreys (Sue und Ashley). Sie gehen mit einer größeren Gruppe heute abend Essen und fragen, ob wir mitwollen. Rufe Christine, die an Bord geblieben ist, über VHF an und dann ist klar: Wir wollen! Im Marinagelände werden schon Stände, Musikanlagen, Feuerwerk, aufgebaut. Eins ist schon klar: Diese Fete hat eine andere Dimension als die Christmas Party. Am Ankerplatz sehen wir dann eine Meeresschildkröte an der Wasseroberfläche, allerdings ist sie nie lange oben, sondern taucht immer gleich wieder ab. Trotzdem schön anzuschauen.

 

Während ich das hier schreibe, ist es in Mitteleuropa schon 22 Uhr, also kurz vor Jahreswechsel. Deshalb wünschen wir an dieser Stelle allen Lesern einen guten Rutsch und alles Gute, Gesundheit und Erfolg im Neuen Jahr.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Donnerstag, 30. Dezember 2010, Nonsuch Bay, Antigua

In der Nacht brist der Wind kräftig auf, wie angekündigt, zudem regnet es ordentlich. Gestern Abend sind wir nach einem reichlichen Essen mit einer Flasche gekühltem Weißwein dazu schon um neun todmüde ins Bett gefallen. Mit Hellwerden um sieben haben wir also locker 10 Stunden gepennt. Das Wetter ist allerdings nicht einladend. Starke Regenschauer mit bis zu 28 Knoten Wind. Neben uns macht sich eine größere Slup ans Ankeraufholen. Sie haben zwei Stück draußen. Dementsprechend lange dauert das Manöver. Bin froh, dass wir einen ordentlichen Anker haben und uns das Gehampel mit zwei Grundeisen sparen können.

Gestern abend hat cirka eine Meile achteraus noch eine Riesen-Slup den Anker geworfen. Ich schätze die Masthöhe auf mindestens 70 Meter. Heute morgen will ich es aber genau wissen. Mit dem Radar wird der Abstand gemessen (0,945 Seemeilen) und mit dem Sextanten, der so auf dieser Reise erstmalig zum Einsatz kommt, der Wiinkel zwischen Mastspitze und Wasserlinie (2 Grad, 55 Minuten). Da mir zunächst die Formel fehlt, versuche ich eine zeichnerische Lösung und komme auf 90 Meter Masthöhe. Das ist mir aber zu ungenau und deshalb gehe ich auf die Suche, bis ich in einem Navigationsbuch die Formel für Höhenwinkelmessung finde, mit der man z..B.  bei einer bekannten Leuchtturmhöhe und dem gemessenen  Winkel den Abstand vom Leuchtturm bestimmen kann. Braucht man also nur noch die Formel umzustellen und etwas rechnen. Und siehe da, es kommen 89,5 Meter heraus. Der Kahn heißt übrigens Mirabela 5, wahrscheinlich könnte man die Masthöhe schneller googlen, wenn man denn eine Internetverbindung hätte.

Während meiner Rechenspielchen geht die Tivoli ankerauf, nur um kurz darauf dicht neben uns, diesmal an Steuerbordseite und dichter zum Strand (auf dem Platz hatte gestern abend noch die Deep Blue gelegen), wieder den Anker zu werfen. Katharina winkt.

Mittags tauchen wegen des zunehmenden Windes und nachlassenden Regens immer mehr Kitesurfer auf, die von dem nahen, kleinen Strandabschnitt starten. Eine deutschsprachige Kiteschule ist auch dabei. Eine Anfängerin verliert beim Hin- und Herfahren immer mehr an Höhe, kann also nicht mehr zum Strand zurück. Sie landet schließlich auf dem Middle Reef, wo das Wasser nur noch knietief ist und wird dort vom Motorboot der Schule abgeholt. Etwas später, Christine ist im Cockpit und liest, ich sitze am PC und will gerade etwas in der Versicherungspolice nachsehen, knallt es ganz plötzlich, laut und heftig. Ich denke erst, da ist uns jemand über die Ankerkette gefahren, tatsächlich aber ist es ein Kitesurfer, der mit ziemlich viel Speed seinen Drachen um unseren Mast gewickelt hat. Zu allem Überfluss verfängt sich auch noch eine der Leinen in unserem Windgenerator. Diese Leine schneide ich als erstes durch. Die anderen kann ich nicht von Deck aus kappen, weil in ein paar Metern Höhe die Leinen irgendwelche Verbindungen haben und ich befürchte, dass diese dann, wenn sie freigelassen sind, unser Windmessgerät im Masttop abreißen. Also schnell den Gurt an und rauf in den Mast. Dort schneide ich als erstes die Leinen durch, die sich aber schon um die VHF-Antenne und den Verklicker gewickelt hatten. Verklicker gebrochen, Antenne verbogen. Die elektrische Windmessanlage hat offenbar nichts abgekriegt, so weit ich das hier oben sehen kann. Also wieder runter. Auch die Leinen aus den drei Flügeln des Windgenerators lassen sich relativ leicht wieder aus diesen entfernen und von der Achse abwickeln. Die Rotorblätter scheinen unbeschädigt. Dieweil hat der First Mate der neben uns ankernden Tivoli mit dem Beiboot Hilfe geleistet und unseren Kitesurfer zu seinem Drachen gebracht, der 200 m weiter auf dem Riff gelandet ist. Später kommt der Bursche zu uns an Bord zurück um seine Personalien zu hinterlassen. Ein Engländer auf Urlaub. Eine Versicherung habe er nicht. Gut, sage ich, dann können wir das gleich in bar abwickeln: 200 Dollar für Antenne und Verklicker, 50 Dollar fürs Selbst-Reparieren. Ich mache ihm klar, dass er gewaltiges Glück hat (wir natürlich erst recht), dass nichts von der Elektronik und auch die Rotorblätter des superwind nichts abgekriegt haben. Das wären schnell noch einmal 500 Dollar, aber ohne Versandkosten. Außerdem wäre eine Reparatur durch eine Werft sicher viel teurer.  Er hat kein Geld an Bord, sein Kumpel auch nicht, und außerdem glaubt er scheinbar, ich habe mit den Kosten gewaltig übertrieben. Sie ankern dicht vorm Strand mit ihrem Segler und  wollen, wie wir, morgen auch nach English Harbour. Dort will er sich erkundigen. Bin gespannt, ob wir überhaupt irgendeine Entschädigung bekommen. Denn was soll ich schon mit einem Namen und einer Adresse in England anfangen? Klagen? Haha.

Nach diesem Spektakel betrachte ich den Rest der Kitesurfer mit kritischen Augen. Einer fährt immer ziemlich dicht an uns vorbei, allerdings scheint der so gut drauf zu sein, dass ich bei ihm keine großen Befürchtungen habe. Eine Stunde später regnet es wieder und das mögen die Herren Kitesportler wohl nicht. Jedenfalls ist keiner mehr auf dem Wasser. Das hat uns damals beim Surfen doch nichts ausgemacht.

Das Wetter bleibt ziemlich ungemütlich. Wind bis 30 Knoten, Regenschauer, schlechte Sicht. Der Wind kommt sozusagen ungebremst vom offenen Atlantik, aber die Wellen sind klein wie auf einem Binnensee. Dafür sorgt das Außenriff in einer halben Meile Entfernung. Davor gibt es große, schaumgekrönte Brecher. Hätte nichts gegen eine Wetterbesserung einzuwenden. Auch für die geplante Fahrt morgen zurück nach English Harbour dürfte der Wind ruhig etwas nachlassen. Andererseits: Bei diesem Mistwetter ist die Silvesterparty sicher auch nicht besonders attraktiv.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mittwoch, 29. Dezember 2010, Nonsuch Bay, Antigua

 

Die Nacht ist ruhig und mückenfrei. Das ist eine tolle Erfahrung nach der Moskitoplage im letzten Hafen. Weil wir am Anker natürlich mehr Wind um das Schiff haben, als in der Marina, ist es auch nicht so heiß, so dass wir tatsächlich wieder ein Stück Bettdecke über dem Bauch vertragen können.

 

Baden vor dem Frühstück, da wird man schnell richtig wach. Wassertemperatur höchst angenehm. Für jeden 2 Spiegeleier auf Brot, hmmmmh. Danach schnorcheln wir zum Middle Reef, sehen jede Menge kleine, bunte Aquariumfische auf dem Riffdach, das nur 40 bis 50 cm unter Wasser ist. Christine entdeckt einen Riesenseestern mit sicher 30 cm Durchmesser. Danach holen wir unser Schlauchboot aus der Dusche (wo es für die Atlantiküberquerung verstaut war), blasen es auf, lassen es zu Wasser und machen die erste Probefahrt. Der Motor springt gut an. Danach kommt das Boot in unseren Windgeneratordavit. Mir gefällt noch nicht, dass es da so niedrig über der Wasseroberfläche hängt. So können wir damit nicht segeln. Also verkürze ich die Aufhängungen, wobei ich die achteren gleichzeitig durch stärkere Leinen ersetze. Dadurch kommen wir 20 cm höher. Dann baue ich eine Verlängerung für die Pinne des Außenborders. Ein 40 mm Kunststoffwasserrrohr muss dafür herhalten. Mit dem Multimaster etwas einschneiden, dann eine Schlauchschelle drum, festziehen, fertig. Mit dieser extension kann man sogar Gas geben. Warum das Ganze? Wenn man allein im Schlauchboot unterwegs ist, muss man sehr weit achtern sitzen zum steuern. Damit ist das Gewicht zu weit hinten und es wird nicht die optimale Geschwindigkeit erreicht. Mit der Verlängerung kann ich jetzt weiter vorn sitzen.

 

Gemeinsam düsen wir dann mit der neuen Technik zum Aussenriff, zur kleinen Insel Little Bird, und schauen uns auf dem Weg die anderen tollen Yachten an, die hier vor Anker liegen. Besonders schön ist ein riesiger Zweimastschoner unter belgischer Flagge mit klassischen Linien, aber modernem Rigg. Später etwas lesen, Kaffee trinken, schwimmen (Christine erkundet den Strand), faulenzen. Gegen Mittag ist das Licht der Sonne so intensiv, dass ich auf die zweite Saling klettere und ein paar Fotos von unserer Umgebung mache. Aus 12 m Höhe sieht  das alles noch schöner aus.

Am Abend kommt die Tivoli in die bay und fährt in 20 m Abstand an uns vorbei. Wir winken. Der Captain scheint uns zwar nicht zu registrieren, aber plötzlich kommt Katharina aus dem Schiffsinneren und winkt uns ganz begeistert zu. Sie ankern schließlich 150 m von uns in Luv. Die haben jetzt zahlende Gäste an Bord und deshalb wird die Köchin wohl nicht von Bord gehen können. Zu diesem Zeitpunkt frischt der Wind deutlich auf (5 Bft) und es gibt ein paar ordentliche Regenschauer. Vorher tolle Regenbogen im Osten. Mit dem letzten Büchsenlicht läuft ein großer Katamaran in die Bucht und ankert 50 Meter hinter uns. Das Ding sieht dann im dunkeln irre aus. Die scheinen doch tatsächlich eine Unterwasserbeleuchtung zu haben. Rings um die Rümpfe herum leuchtet das Wasser hellblau wie in einem swimmingpool. Ab einer gewissen Schiffsgröße spielt Energie, wie es scheint, überhaupt keine Rolle mehr. Gewaltige Dieselvorräte und große Generatoren machen es möglich.

 

 

 

Dienstag, 28. Dezember 2010, Nonsuch Bay, Antigua

Unser Aufbruch von Nelson's Dockyard ist für 11 Uhr geplant, vorher stehen Frühstücken, Abwaschen, Obst u. Gemüse einkaufen (das macht Christine), Wassertanks füllen, Marina bezahlen und von der Osprey-Crew verabschieden (das ist deshalb nötig, weil wir noch email-Adressen austauschen wollen) auf dem Programm. Bis die Lady im Marina-Office mal die Rechnung fertig hat, dauert es schon eine Weile. Hier ist nix mit elektronischer Rechnungserstellung, obwohl da jede Menge Computer rumstehen. Preis pro Tag und Fuß mal Bootslänge, mal Anzahl Tage, plus Wasserverbrauch (da muß erst einer von den Jungs zu unserem Schiff laufen und den Zählerstand ablesen) plus Tax plus wasweißichsonstnoch, so lange wie das dauert. Dann wollen wir noch Briefmarken kaufen für einen Brief nach Österreich, aber auch das gestaltet sich schwierig. Es gibt zwar ein Postoffice, das sogar mit zwei Personen besetzt ist, aber die Dame, die die Briefmarken verkauft, ist nicht da. Es weiß auch niemand, wann sie wiederkommt. Na prima. Also muss die Briefaufgabe warten.

Um 5 vor 11 läuft die Maschine und die Heckleinen werden eingenommen. Die ersten 40 Meter unserer Ankerkette können wir problemlos einnehmen, auch wenn es im Kettenkasten aussieht, wie im Schweinestall, denn der Grund hier im Hafen ist sehr schlammig. Mit den letzten 20 Metern wird es dann schwieriger. Da einige Charterboote fast im rechten Winkel zu uns an der anderen Pier liegen, muß wohl der eine oder andere seinen Anker über unsere Kette geworfen haben. Ein Angestellter der Charterfirma kommt mit dem Schlauchboot zu Hilfe. Einen fremden Anker hieven wir mit unserer Kette hoch, wobei unser Ankerspill ganz schön ins Schwitzen kommt und zwischendurch mal die Sicherung rausfliegt. Der Mann im Schlauchboot wuchtet den Anker über unsere Kette und wir denken schon, es ist alles fein. Aber nach kurzer Zeit, wir haben gerade mal weitere 6 oder 7 Meter eingeholt, ist schon wieder Schluss. Unser Spill will nicht mehr. Die Kette ist tight, tighter geht's nicht. Da meint der jetzt nicht mehr so hilfsbereite Kollege, da müssten wir wohl die Taucher vom dockyard rufen. Wahrscheinlich habe sich unser Anker unter einer Hurricanekette verfangen. Das sind dicke Ketten, die vor langer Zeit mal quer durch den Hafen gelegt worden sind, um daran Schiffe hurricanesicher vertäuen zu können. Einen kurzen Augenblick überlege ich tatsächlich, ob ich jemanden zu Hilfe rufen soll, weil das mehr als trübe Hafenwasser nicht gerade einladend aussieht. Aber so ein Taucher würde ja auch nicht mehr sehen, als ich. Außerdem würde es dauern, außerdem würde es Geld kosten. Also gehe ich doch selbst runter. Ist nicht tief, cirka 5 m, aber die Sichtweite unten am Grund beträgt gerade mal 10 cm. Ich ziehe mich an der Kette nach unten und merke bald, dass da noch ein anderer Anker samt Kette über unserer liegt. Da dieser dicht bei unserer Kette ist, kann ich ihn relativ leicht auf die andere Seite bringen. Aber unser Anker ist so fest im Schlamm eingegraben, dass er trotzdem nur sehr schwer rauszubringen ist. Da ich schon mal im Wasser bin, schrubbe ich ihn in Höhe der Wasserlinie mit einer Wurzelbürste halbwegs sauber, bevor Christine ihn an Deck holt. Profilaktisch noch mal schnell das Lograd säubern, dann geht es wieder an Deck.

Nach dieser Aktion ist es halb Zwölf und wir tuckern langsam aus Nelson's Dockyard. Die riesige Motoryacht Lady Beatrice (bestimmt 50 Meter lang) macht sich auch gerade auf den Weg und holt ihre beiden Anker auf. Ich denke, wir können zwischen der Luxusyacht und der Fuel- und Anlegepier der Slipway Marina durchfahren, da sind vielleicht 20 Meter Platz dazwischen, aber plötzlich werden wir sanft abgebremst, das Lot zeigt 0,0 Meter (unter Kiel) und wir stecken mit dem Kiel im Schlamm fest. Mit Rückwärtsfahrt kommen wir schnell wieder frei und fahren hinter dem Heck der Lady Beatrice, nun an ihrer Steuerbordseite, vorbei. In der Freeman Bay ankern nach wie vor dutzende Boote, die wir passieren. Draußen setzen wir Segel, müssen aber kreuzen, weil wir nun mal nach Nordosten wollen, und der Wind auch daher kommt. Da unser Ankerplatz, den wir ansteuern wollen, zwischen Korallenriffen liegt, sollten wir bei hochstehender Sonne dort ankommen. Deshalb nehmen wir die Segel nach 2 Stunden wieder weg und lassen den Diesel etwas schuften.

Um 1445 fällt unser Anker auf 8 m Wassertiefe in türkisfarbenes Wasser, etwa 100 m nördlich von der Insel Green Island und deren weißem Sandstrand, auf der anderen Seite 50 m südlich des Middle Reefs, deren Oberkante nur knapp unter der Wasseroberfläche liegt. Nach Osten hin ist diese Bucht durch ein vorgelagertes Riff vor Seegang, allerdings nicht vor Wind, geschützt. Es liegen schon ein halbes Dutzend Boote hier, die meisten deutlich größer als wir. Unser direkter Nachbar ist die Deep Blue, neben der wir schon in Aveiro vor Anker lagen. Wir gehen gleich mal schnorcheln, erkunden den Strand und den Ankergrund. Wohl wegen der Bewegung des Wassers kann man nicht tiefer als 2 m sehen. Der Grund besteht aus weißem, schlammigen Sand, der an den Händen kleben bleibt. Auch wenn ich nicht ganz bis zum Anker tauche, bin ich sicher, dass der in diesem klebrigen Matsch wie angeschweißt hält.

Dann ist eine kleine Inspektion des Unterwasserschiffs fällig. Im Heckbereich, das während der Fahrt unter Wasser, sonst aber über Wasser ist, haben sich kleine Entenmuscheln festgesaugt. Diese sind nur relativ schwer zu entfernen. Das sonstige Unterwasserschiff sieht aber nach wie vor sehr sauber aus. Dann rüttle ich mal am Ruder und muss leider feststellen, dass ich es auch von Hand in seitlicher Richtung deutlich im Lager bewegen kann. Meines Erachtens ist noch kein dringendes Einschreiten erforderlich, aber im Laufe der kommenden Monate müssen wir uns da wohl was einfallen lassen. Wahrscheinlich sind neue Lager fällig. Leider findet sich in meinem Eignerhandbuch von Jeanneau keinerlei Hinweis über die genaue Konstruktion dieser Lager oder gar akzeptable Toleranzen.

 

 

 

 

Montag, 27. Dezember 2010, Nelson*s Dockyard

Um kurz nach neun sind wir am Ausgang der Marina. Wir wollen mit dem Bus in die Inselhauptstadt St. John's. Wir brauchen nicht einmal zu warten, der 12-Sitzer kommt gerade, als wir bei der Haltestelle sind. Der Bus sieht nicht anders aus, als die Taxis, unterscheiden kann man sie nur am Nummernschild, auf dem entweder Bus oder Tx steht, mit ein paar Zahlen dabei. Das Auto ist klimatisiert, die Fahrt dauert ca. 40 Minuten und kostet für uns beide nicht mehr als 3 Euro. In der Hauptstadt kriegen wir dann leider mit, dass auch heute, einen Tag nach Weihnachten, noch Feiertag ist. Wie wir später erfahren, liegt das daran, dass gestern am Feiertag Sonntag war und deshalb gibt es halt noch einen dritten freien Tag. Die meisten Geschäfte haben also geschlossen und wir erleben leider nicht das pulsierende Leben der Stadt, sondern nur die Ladenlokale in der Nähe des Hafens, die wegen der 2700 Passagiere des gerade eingetroffenen Kreuzfahrtschiffs offen haben.

Auf dem Rückweg möchten wir gern mit dem Bus eine andere Strecke wählen, weil unser Reiseführer den Fig Tree Drive als interessanteste Straße der Insel empfohlen hat. Es gibt aber keine Buslinie, die da lang führt. Am Busbahnhof erklärt uns dann jemand, dass man aber u.U. mit einem Busfahrer einen deal aushandeln kann, dass er uns trotzdem dort langfährt. Und tatsächlich. Für umgerechnet ca 15 Euro fährt uns ein driver nach seiner eigentlichen Route weiter über den Fig Tree drive (Fig Tree ist in der Inselsprache die Bananenstaude) zu unserer Marina. Der Umweg dauert one way ca 40 Minuten, d.h. irgendwo müssen ein paar Leute ziemlich lange, ich schätze mal mindestens eine Stunde, warten bis der Bus wieder auf seiner normalen Tour ist. Das Investment hat sich für uns aber gelohnt, denn unser Busfahrer erzählt uns, er sei eigentlich Reiseführer und kann uns dementsprechend viel über Land und Leute erzählen.

Er selbst hat 20 Geschwister bzw. Halbgeschwister, von denen er 4 noch niemals gesehen hat, weil diese in USA, England, oder sonst wo leben. Weil viele der jungen Männer auswandern, gibt es angeblich ein Männlein/Weiblein-Verhältnis von 1 zu 10. Deshalb würde er niemals heiraten, da ginge man ja am fun vorbei. Der Fig Tree drive ist wirklich schön. Er schlängelt sich durch Bananen- und Ananasplantagen, vorbei an vielen bunten Behausungen, die meisten aus Brettern zusammengezimmert. Die Landwirtschaft macht aber nur einen kleinen Teil des Sozialprodukts aus,  60 Prozent der Wirtschaftsleistung kommen aus dem Tourismus

Abends sitzen wir nochmal zusammen mit Sue und Ashley auf der Osprey, auch Katharina kommt noch vorbei. Morgen Vormittag wollen wir diese malerische Marina mit dem einmaligen Flair eines Museumsdorfes fürs erste verlassen und einen Ankerplatz im Osten der Insel aufsuchen. Wir stellen uns vor, Sylvester wieder hierherzukommen, um die Neujahrsparty zu erleben. Wenn sie ähnlich wird, wie die Weihnachtsfete, lohnt sich das allemal.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Sonntag, 26. Dezember 2010, Nelson's Dockyar

Der Tag beginnt träge. Wir sind zu keinen großen Aktivitäten aufgelegt, es ist schwül und bedeckt, hin und wieder regnet es ein paar Tropfen. Aber natürlich ist es sehr warm. Wir sitzen im Cockpit und leeren eine Flasche Sekt, skypen dann etwas, lesen, faulenzen. Die Marina strahlt eine unglaubliche Ruhe aus. Offenbar pennen die anderen Bootsbesatzungen alle. Nachmittags um halb vier sind wir mit Katharina, Sue und Ashley verabredet. Wir nehmen gemeinsam ein Taxi und lassen uns zu Shirley Hights bringen. Das ist ein Restaurant oben auf dem Berg am Eingang zu English Harbour. Dort ist Sonntag abends richtig was los, und auch nur sonntags.  Von da oben hat man einen phantastischen Blick auf den gesamten natürlichen Hafen, Nelson's Dockyard Marina (in der wir liegen) und auch auf die dahinter liegende Falmouth Bay. Bei sehr guter Sicht könnte man auch Guadeloupe sehen, aber heute reicht es nur für Montserrat. In der Anlage spielt zunächst eine Steelband. Zur leiblichen Stärkung gibt es ein reichhaltiges Barbecue zu erschwinglichen Preisen. Als Getränk wird Rumpunsch empfohlen. Glücklicherweise ist das Zeugs nicht warm, sondern kalt und schmeckt gut, weshalb wir es uns gleich mehrfach gönnen. Bis in so einer Fünfergruppe mal jeder dran gewesen ist mit drinks holen.

Katharina kennt hier schon eine Menge Leute und irgendwann sitzt mal ein junger Venezuelaner bei uns am Tisch, der auf einem 100 Fuß Segler gerade den Atlantik überquert hat. Die sind einen Tag nach uns auf den Kanaren gestartet und voll in dieses Tief gerauscht, das wir umgangen haben. Sie hatten bis zu 62 Knoten Wind (Orkan) und mussten wieder Richtung Kanaren ablaufen. Dabei haben sie Spitzengeschwindigkeiten von 27 Knoten erreicht und es ist einiges kaputt gegangen. Aber der Eigner war neben seiner 12 köpfigen Crew auch an Bord und der wollte es offenbar richtig wissen. Nun ja

Um 19 Uhr wird die Steelband von einer Reggae-Truppe abgelöst und jetzt kommt richtig Stimmung auf. Mittlerweile ist es rappelvoll, die Luft brennt. Alles tanzt. Um 21 Uhr sind wir hundskaputt und lassen uns von einem Taxi wieder zurückfahren. Sue und Ashley sind schon früher weg, Katharina schwingt noch das  Tanzbein.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Samstag, 25. Dezember 2010, Nelsons's dockyard

Vor der großen Christmas Party, die hier heute ab Mittag im Nelson's dockyard stattfinden soll, spazieren wir etwas durch die Gegend und kommen an der Tivoli vorbei, dem Schiff, auf dem unsere neue Freundin Katharina arbeitet. Es sitzen eine Menge Leute auf dem Achterdeck, aber Katharina kommt gleich zu uns herunter und lädt uns auf einen Sekt an Bord ein. Da sitzen wir nun also auf einer riesigen Motoryacht und lassen uns bedienen, dieweil wir interessante smalltalks mit den Leuten am Tisch führen. Der Eigner hat sicher das Verchartern nicht nötig, aber immerhin bringt das doch etwas Geld in die Kasse. 6 Erwachsene werden maximal mitgenommen. Die Woche kostet 25.000 US Dollar. Dazu kommen noch Kosten für Sprit, Marinagebühren, Trinkgelder, etc.  Da kann man doch sicher sein, dass nicht jeder arme Schlucker zu einem an Bord kommt … Das Frühstück, das noch auf dem Tisch steht, kann sich aber auch sehen lassen, die Muffins sind selbstgebacken.

Dann spazieren wir auf einem steinigen Weg (die flip flops sind nicht die ideale Fußbekleidung dafür) bis zum Eingang von english harbour, mit tollem Blick auf die Marina und die vielen Ankerlieger. Als wir zurückkommen, hören wir schon die rhytmischen Klänge einer steelband, wobei steelband in dem Fall heißt, dass da vielleicht 15 Leute auf unterschiedlichen Blechtrommeln (die "Bespannung" ist auch aus Blech) phantastische Klänge aus diesen "Dosen" zaubern. So langsam füllt sich das ganze Areal mit Menschen, viele in weihnachtlicher Verkleidung. Die Steelband wird von einer excellenten Reggae Band abgelöst. Das Getränkeangebot ist simpel: Sekt (nur flaschenweise) in verschiedenen Preislagen, gelagert und verkauft aus einem Dinghy, das mit Eiswasser gefüllt ist. Dazu kann man einen Liter O-Saft kaufen. Genau diese Kombination nehmen wir. Und da wir ja nicht wollen, dass der noch kalte Sekt zu schnell warm wird, müssen wir ihn halt flott trinken. Zusammen mit den zwei Gläsern, die wir schon an Bord der Tivoli hatten, kommen wir also schnell in Stimmung. Wir können uns kaum losreißen, aber da wir nun einmal um 2 zum Christmas Lunch verabredet sind, gehen wir natürlich auch hin. Insgesamt sind wir zu sechst: Außer uns sind Sue und Ashley, sowie Roger (lag mit seiner Malö 42 in Jolly Harbour unmittelbar neben uns; seine Frau ist über Weihnachten nach England geflogen) und eine junge Polin mit am Tisch. Das Essen ist super. Sue überrascht uns mit kleinen Weihnachtsgimmicks. Eine total nette Runde. Anschließend sitzen wir in derselben Clique noch bis 20 Uhr an Bord der Osprey bei Crackern mit Käse, Kaffee und Wein.

Ein ganz besonderer erster Weihnachstag mit hohem Erinnerungswert. Wieder sind wir extrem positiv überrascht, wie viele nette Menschen wir kennenlernen und wie unkompliziert das alles ist. Auf dieser Weihnachtsparty waren sicher Menschen aller sozialen Schichten vertreten, von den ganz armen locals bis zu den Multimillionären der Mega-Yachten. Und alle in kurzen Hosen und T-Shirts.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Freitag, 24. Dezember 2010, Antigua, Nelson's Dockyard

 

Morgens Einchecken in der Marina. Die wollen überhaupt keine Papiere sehen, machen auch keine Kopie von der Kreditkarte. Man könnte also ohne weiteres abhauen,ohne zu bezahlen. Das scheint hier wohl so gut wie nie vorzukommen. Eh klar, die Eigner der Mega-Yachten, die sich Schiffe für zig Millionen Euro leisten können und die hier die Haupt-Klientel sind,  werden sich nicht als Zechpreller entpuppen.

 

Um 11 dann bei Ashley und Sue auf der Osprey (Moody 47). Obwohl Engländer, gibt es einen hervorragenden Filterkaffee. Ehrlicherweise muß ich sagen, hatte ich mit Instantkaffee gerechnet aber da sieht man, wie man sich täuschen kann. Sie ermuntern uns, am 25. gemeinsam mit ihnen den Christmas Lunch in einem feinen Restaurant hier im Nelson's Dockyard einzunehmen. Also melden wir uns dort einmal an. Danach spazieren wir ca einen Kilometer nach Falmouth. Der Ort liegt an der Nachbarbucht und hat auch eine Marina. Diese beherbergt Motor- und Segelyachten, wie ich sie in dieser Größe und Anzahl nie zuvor gesehen habe.  Die absolute Mega Mega Yacht ist die Maltese Falcon (kann man googlen, oder direkt diesem link folgen http://www.symaltesefalcon.com/specifications.asp), ein Dreimast Vollschiff (Rahsegel) von modernstem Design. 88 m lang, 2400 qm Segelfläche. Die Masten sind nicht verstagt, sondern stehen frei und werden samt Rahen gedreht. Hat angeblich Steve Jobs bauen lassen. Ja, dafür muß man schon Milliardär sein, Multimillionen reichen da nicht mehr. Auf dem Weg sehen wir in einer Bar das junge schwedische Mädchen, das auf dem Nachbarboot in Mindelo mit an Bord war und wegen Zoff mit dem Skipper ausgestiegen ist. Sie hat dann einen Katamaran gefunden und ist seit einer Woche auf Antigua. So klein ist die Welt.

 

Nachmittags ist die skype-Verbindung excellent und wir videofonieren intensiv mit der Heimat. Bei uns hat es 30 Grad und zu Hause liegen Schneemassen ohne Ende. Als wir die Flasche Schampus fast geleert haben und mit den Gläsern an Deck sitzen, läuft eine nett lächelnde Dame hinter unserem Schiff entlang und grüßt mit Servus. Im Nu sitzt Katharina bei uns im Cockpit, bekommt den letzten Schluck aus der Sektflasche und bereichert unser Karibik know how wieder um einige Facetten. Sie war mit ihrem Freund auf einem Katamaran auf Weltumsegelungs Trip, hat sich von diesem aber nach einem Jahr Fahrenszeit  hier in der Karibik getrennt und arbeitet jetzt als Köchin auf einer 30 m Motoryacht, deren Crew den zahlenden Gästen den Urlaub versüßen. Sie ist Anfang 40 und war in ihrem früheren Leben einmal Personalmanagerin in einem Sportartikelkonzern. Die Moskitos sind ganz schön lästig. Wir sollten uns angewöhnen, uns entweder einzuschmieren oder am Abend lange Klamotten zu tragen. Endlich können wir auch das Weihnachtspäckchen von Mona und Jörn auspacken, das nun schon mehr als 5 Monate mit über die Weltmeere schippert. Nun haben wir auch etwas weihnachtliche Deko, interessanten Lesestoff und neue Anreize für die Bordküche. Herzlichen Dank nochmal, Euch beiden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Allen, die uns hier an dieser Stelle regelmäßig oder sporadisch begleiten, wünschen wir ein schönes Weihnachtsfest, wo auch immer das sein mag. Ein ganz besonders herzliches Dankeschön für die lieben Weihnachtsgrüße geht an alle, die in so kreativer Weise die "oh wie lacht"- Seite gestaltet haben. Wir haben uns riesig gefreut und auch herzhaft gelacht.

 

Donnerstag, 23. Dezember 2010, Antigua, English Harbour

 

Morgens auschecken, noch ein paar Lebensmittel einkaufen (vor allem 2 Flaschen Schampus), Seeklar machen. Um 10 werfen wir die Leinen los in Jolly Harbour und fahren den breiten Kanal Richtung open water. Mit uns läuft die Moody 47 aus, die zwei Boote weiter an unserem Steg gelegen ist. Das gesamte Hafengelände, an dessen Ende die Marina liegt, ist eine synthetische Anlage. An den Ufern der Kanäle liegen Reihenhäuser. Jedes hat einen Boosliegepatz davor. Die Endausbaustufe ist noch lange nicht erreicht, es gibt noch reichlich unbebaute Abschnitte.

 

Ausserhalb des Kanals ist es zunächst mit 3 m Wassertiefe noch sehr flach. Der herrschende Schwell verusacht links und rechts von uns große Brecher, die an die Strände branden. Weiter draußen liegen einige vorgelagerte Riffe und auch auf denen kann man die schäumenden Brecher gut ausmachen. Wir können mit dem NE-Wind gut segeln. Als wir um die SW-Ecke biegen, fahren wir zunächst hoch am Wind, müssen dann später aber ein paar Kreuzschläge  machen. Um kurz vor 14 Uhr stehen wir vor der Einfahrt zu English Harbour, dem sturmsicheren Naturhafen, der einst Horatio Nelson (größter englischer Seeheld, der übrigens ständig seekrank gewesen ist) als Flottenstützpunkt gedient hat. Wir fahren vorbei an vielen Ankerliegern (wo wir auch Deep Blue wieder sehen, die wir schon in Figueira da Foz, Aveiro und Cascais als Nachbarn am Anker hatten) und bekommen sogar einen Liegeplatz in Nelson's dockyard marina. Mit 60 m Ankerkette und Heck zur Pier liegen wir dann um kurz vor 15 Uhr an diesem traditionsgeladenen Standort. Wir sind wohl mit Abstand das kleinste Boot hier. Jede Menge Megayachten (Segel- und Motor-), einige von denen könnten unsere Gipsy spielend als Deckslast mitnehmen.

 

Ashley und Sue von der englischen Moody 47 laufen auf der Pier entlang. Wir laden sie kurzerhand auf einen Kaffee ein und erfahren wieder ein paar Neuigkeiten über die Karibik. Sie sind seit 2006 hier in diesen Gewässern. Gegeneinladung morgen früh um 1030. Als die beiden an Bord sind, kommt Morgan Freeman vorbei und empfiehlt sein Restaurant für ein Christmas Dinner. Es ist natürlich nicht wirklich Morgan Freeman, aber als ich ihn so anspreche, sagt er, dass er das tatsächlich ständig höre. Kein Wunder, der sieht wirklich so aus.  Dann machen wir einen Gang durch das Museumsdorf, denn nichts anderes ist diese Marina. Überall stehen noch die alten Gebäude, davor Schilder mit Erklärungen, als was diese Hütten früher mal fungiert haben. Heute sind teilweise Restaurants, Offices von Charterbasen, Behörden (Immigration, customs, etc.), Duschen oder Toiletten darin. Das hier hat wirklich ein ganz eigenes Flair. Man spürt die Geschichte fömlich hautnah. Bei unserem Rundgang treffen wir ein schweizer Paar auf ihrer Discovery 55, die wir auch schon mehrfach auf der anderen Seite des Atlantiks gesehen hatten, zuletzt in Mindelo. Heute abend bruzzelt Christine Steaks mit Bratkartoffeln und Salat und wir essen an Deck. Die Mücken werden am Abend leider ganz schön lästig. Deshalb haben wir die Moskitogitter in die Skylights eingesetzt und den Niedergang mit dem großen Mücken-Baldachin von Ikea, den wir schon auf der Gipsy III am Neusiedler See im Einsatz hatten, zugehängt. Müßte eigentlich funktionieren. Der Luftaustausch ist dadurch leider etwas eingeschränkt und unter Deck ist es doch noch ziemlich warm, um genau zu sein: 28,3 Grad 2 Stunden nach Sonnenuntergang. 

 

 

 

 

 

  

Mittwoch, 22. Dezember 2010, Antigua

 

Als Christine morgens um 8 zwei Sack Wäsche zur laundry bringt, wird sie mit den Worten "Good morning sweetheart" von der korpulenten, schwarzen Servicelady begrüßt und anschließend mit "Good bye, darling" wieder verabschiedet. Bin gespannt, was die beim Abholen der Wäsche noch auf Lager hat.  Während Christine unterwegs ist und dann mit ein paar frischen Lebensmitteln für das Frühstück zurückkommt, quäle ich mich mit dem Hochladen der Fotos ab. Jedes einzelne Bild braucht im Schnitt mindestens 10 Anläufe. Zwischendurch immer wieder Abstürze. Deshalb setze ich mich dann etwas später mit dem kleinen notebook unter das Sonnendach eines Restaurants hier in der Marina. Die haben dort Wifi gratis und tatsächlich funktioniert dort das Hochladen der Bilder besser, aber auch auf deren server kann outlook keine Verbindung zu dem Postausgangsserver herstellen. Weiß auch nicht, warum manche Provider das einschränken. Hatten wir in Lanzarote schon einmal. Christine kauft in der Zwischenzeit ein paar Klamotten (geht shoppen) und lässt sich runderneuern (Frisur, Hände, Füße, oder: Coiffeur, Maniküre, Pediküre).

 

Später ein paar kleine Arbeiten am Boot; Christine packt die Nähmaschine aus und betreibt finetuning an den Kleidchen, die sie gekauft hat. Apropos Klamotten: Davon haben wir viel zu viel dabei, vor allem von den warmen.

 

Morgen wollen wir den Standort verlegen und nach English Harbour, ca 3-4 Stunden Fahrt. Dort wird es wohl deutlich voller sein als hier und wir hoffen, dass wir einen Platz in der Marina bekommen. Falls nicht, müssen wir ankern. Hoffentlich nicht zu weit vom Ufer entfernt. Anders als in unseren bisherigen Revieren gibt es hier nämlich Strände, die extrem flach verlaufen. Wenn man da auf 4 m Wasser ankern will, ist man u.U. schon einen Kilometer vom Ufer weg.

 

In der Marina entdecken wir das schwedische Boot Ambica. Das Paar haben wir zuerst in La Graciosa getroffen, später dann in Puerto Calero/Lanzarote und auf La Gomera wieder gesehen. Es ist aber niemand an Bord, jetzt. Am Abend essen wir im Melinis, dort wo ich heute schon mit dem notebook gesessen habe. Guter Koch. Weihnachtliche Beleuchtung mit vielen kleinen Lichterketten und aufgeputzter Christbaum. Schöne Musik, aber Jingle Bells hören wir nicht.

 

 

 

 

 

 

 

Dienstag, 21. Dezember 2010, Ankunft Antigua

 

Die Silhouette der Insel ist im Licht des Vollmonds schön zu erkennen. Um 01 Uhr hat es noch schlappe 6 Knoten Wind und unsere Speed ist auf 4 Knoten heruntergegangen. Damit war zu rechnen. Die drei weißen Leuchtfeuer, die in schnellem Takt blitzen, scheinen auf den höchsten Bergen zu stehen und sind in den Seekarten nicht verzeichnet. Dafür sind die verzeichneten Leuchtfeuer nicht zu sehen. Viele sind außer Betrieb, wie wir aus den Unterlagen wissen. Scheint typisch für die Karibik zu sein.

 

Um 03 Uhr stehen wir 2 nm südlich von English Harbour. Da das Seehandbuch aber wegen der Riffe und unzureichender Befeuerung von einer Nachtansteuerung abrät, fahren wir weiter nach Jolly Harbour, immer noch unter Segel. Um 0345 UTC-3 entdecke ich zufällig, dass heute offenbar eine partielle oder totale Mondfinsternis stattfindet. Mit dem Fernglas checke ich gleich einmal, ob das nicht etwa eine Wolke ist, die sich da vor den Mond schiebt. Aber nein, so gleichmäßig wie diese runde Delle sich da vergrößert, kann das nur die Erde sein, die da ihren Schatten auf den Mond wirft. Um 0430 ist nur noch eine kleine Sichel zu sehen, und es ist klar, dass es tatsächlich eine totale Mondfinsternis gibt. Allerdings schiebt sich eine dicke Wolke vor den Mond und interessanterweise kommt die aus der entgegengesetzten Richtung, aus der der Wind hier unten bläst. Wird wohl nicht mehr lange dauert, bis die angekündigte Drehung auf NE einsetzt. Mache jedenfalls von dem Spektakel ein paar Fotos (200 mm (320 Kleinbild), 1/200, Blende 6,3), so gut das geht auf dem schwankenden Schiff. Allerdings liegt das Boot jetzt schon ziemlich ruhig, fast erinnert mich das an unsere nächtlichen Ausflüge in der Jugend auf dem Dümmer mit dem Jollenkreuzer. Mit 5 Knoten Wind ginge draußen jetzt nichts mehr, aber hier im Inselbereich ist die Dünung schon so gering, dass die Segel sauber stehen und wir tatsächlich noch 3 Knoten laufen. Um 0435 ist die Woke weg und ich kann gerade noch sehen, wie sich der Erdschatten auch über das letzte erleuchtete Mondfitzelchen legt. An Backbord sind die Lichter von Montserrat zu sehen. Der Mond bleibt für mehr als 1 Stunde dunkel, erst danach gibt der Erdschatten ihn sukzezzive wieder frei.

 

Um 06 Uhr ist der Wind weg, FdW 0,1 kn, FüG 1,4 kn. Da hat es ordentlich Strömung. Es regnet. Eine halbe Stunde später kommt der Wind aus NE und wir segeln wieder.

 

Die Luftfeuchtigkeit ist enorm hoch und der ablandige Wind trägt den Geruch verbrannten Holzes zu uns. Im Morgengrauen reichlich Beschäftigung: Flaggen setzen (Gastland, Vereinsstander, Nationale), Fender aus den Nasszellen nach draußen bringen, Leichenfänger einnehmen, Bullentaljen losbändseln bzw. -schäkeln, Hydro Ruder abbauen und reinigen (ganz schöner Muschelbesatz) 

Dieweil stapeln sich vor der Einfahrt nach St. John's, der Inselhauptstadt, die Kreuzfahrtschiffe. Sind wahrscheinlich gestern abend von einer anderen Insel aufgebrochen, quälen sich dann mit 5 Knoten durch die Nacht, um am nächsten Morgen bei Dienstbeginn der Hafenarbeiter, am Pier der nächsten Insel anzulegen.

 

Um 9 werfen wir die Maschine an, um 10 liegen wir an der Customs Pier, die auf dem Weg, kurz vor der Marina liegt. One Stop Shop. Zoll, Immigration und Harbour office, alles in einem Gebäude, und man kann direkt davor anlegen. Sehr nette Menschen dort, auch der Hafenmeister der Jolly Harbour Marina ist ausgesprochen hilfsbereit. Um 11 liegen wir in der Box, Heck zur Pier, Bugleinen an Pfählen. Fast wie in der Nordsee. Einlaufbier, Marina-Office, Müll wegbringen, Schiff abspritzen (Salzkristalle loswerden). Mittagessen an Bord. Internet kaufen (50 US Dollar pro Monat) und emails lesen, ärgerlicherweise funktioniert die outlook Anbindung mal wieder nicht), deshalb dauern die Antworten etwas länger (wie wir später feststellen, lassen sich auch kaum Bilder auf die homepage laden), kleiner Erkundungsrundgang mit anschließendem Barbesuch und 2 Pina Coladas. Hmmmmhhh ….!!!!! Danach haben wir einen im Kahn und nicht mal mehr Lust in die Pizzeria zu gehen, obwohl es da heute 2 für 1 gibt.

 

Die Marina ist ausgesprochen schön, aber derzeit ist nicht viel los. Jede Menge freie Liegeplätze. Preise mit gut 30 Euro pro Tag cirka auf Kanaren-Niveau. Wollen über Weihnachten dann doch nach English Harbour, da ist mehr Halligalli (was in diesem Fall heißt Christmas Party, usw.). Den Tip haben wir gleich im customs office von dem netten officer bekommen. Beim Zoll geht es übrigens immer nur darum, die Daten des Schiffes anzugeben. Nie wird etwa nach Alkohol oder Zigaretten oder sonstigem Zeugs gefragt. Diesmal wurde erstmals die Frage nach Waffen an Bord gestellt, was wir mit einem Kreuz im "No"-Kästchen klar beantworten konnten.

 

 

Nach dem gestrigen Törn-Resumee jetzt auch noch einige statistische Daten dieses Törns:

 

Gesamtdistanz durchs Wasser nach Log: 2126 nm

Gesamtdistanz über Grund (addierte etmale): 2167 nm

Davon unter Maschine: 70 nm

Durchschnitts-Etmal (ohne ersten und letzten Tag): 140 nm

Kleinstes Etmal: 104 nm

Größtes Etmal: 171 nm

Tage auf See: 16 (383 Stunden)

Durchschnittsgeschwindigkeit gesamt: 5,7 Knoten

Wasser-Verbrauch: 180 Liter

Beobachtete Tiere: Grind- und Buckelwale, Delfine, Hunderte Fliegende Fische (davon ca. 10 an Deck, 1 am Kopf), Möven, Fregattvögel

Begegnungen mit Handelsschiffen: 6

Begegnungen mit Seglern: 5 (alle in derselben Richtung, davon 4 schneller als wir)

Defekte/Schäden: zu viel Spiel in der Ruderwelle (to be checked), zu stark tropfende Stopfbuchse

Durchgeführte Reparaturen: Keine

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Montag, 20. Dezember 2010, Kurz vor Antigua, 16. Tag auf See

Um 0830 kommt der Spibaum weg, danach Segeln vom Feinsten. Der Wind dreht auf SE bis SSE, und wir sind fast ständig mit 7 Knoten unterwegs. Zwar haben wir jetzt Krängung, aber das ist angenehmer, als das ständige Geigen bei achterlichem Wind. Jetzt ist klar: Wir werden Dienstag in Antigua einlaufen, möglicherweise sogar auf der Westseite in Jolly Harbour, weil wir vor English Harbour wohl schon vor dem Hellwerden sind. Hängt alles davon ab, wann der Wind abflaut. Im Augenblick (20 Uhr) düsen wir jedenfalls noch am Wind unter Vollzeug mit 8 Knoten durch die Gegend.

Das soll mal der Zeitpunkt für ein Resumee dieses Transatlantiktörns sein:

Wetter: Wir hatten während der ganzen Zeit Passatbedingungen mit Windstärken zwischen 2 und 7, von noch stärkeren Böen einmal abgesehen, Windrichtung von Nord über NE (meistens) bis SSE (nur heute). Temperaturen immer sehr angenehm, nie zu heiß, auch unter Deck nicht. Nur heute mit dem SE haben wir den Eindruck, dass Temperatur und Luftfeuchtigkeit deutlich angestiegen sind. Wetterbericht via sailmail sehr zuverlässig (besonders was die Richtung angeht), nur bei angesagten stärkeren Winden um 20 kn muss man damit rechnen, dass es auch 30 werden können. Insgesamt doch recht böig, bei allen Windstärken.

Navigation: Ausschließlich elektronisch und erstmalig mit OpenCPN. Super Erfahrungen damit. Hängt sich nie auf, auch wenn die GPS Maus mal keine Daten liefert. Viel intuitiver als MaxSea, fast alle Funktionen über rechte Maustaste. Höchst komfortabel und dazu noch gratis. Den Sextanten haben wir zwar dabei, konnte mich aber nicht dazu aufraffen, ihn auszupacken. Auch der Papier-Übersegler ist schön im Kartenfach liegen geblieben.

Seemannschaft: Bis auf den knock-down am 9.12. mit einer Krängung von schätzungsweise 60 Grad, keine kritischen Situationen. Das extreme Schlagen der Segel, zeitweilig ein lautes Knallen und Dröhnen, bei dem das ganze Schiff erschüttert wird, ist nicht schön. Manchmal kann man es durch geeignete Maßnahmen abstellen, aber dann ist immer die Abwägung zu treffen: Speed oder Materialschonung. Für diesen Törn haben wir zusätzliche "Leichenfänger", in unserem Fall Gurte, vom Geräteträger nach Mittschiffs zur Fußreling, gespannt. Damit ist die normale Reling im Cockpit Bereich deutlich erhöht und eine zusätzliche Sicherung gegen Überbordfallen geschaffen. Nachts haben wir uns an Deck immer angeleint und das Cockpit nicht verlassen, wenn der andere unter Deck war. Schwimmwesten und Ölzeug haben wir nicht ein einziges Mal getragen. Die Hydro arbeitet super. Nur, wenn ganz exaktes Steuern gefragt ist, wie z.B. beim Schmetterlingsegeln, wo der Wind möglichst genau von achtern einfallen sollte, haben wir den elektrischen Autopilot dazugeschaltet.

Das Thema Leben an Bord hat mehrere Aspekte. Beginnen wir mal mit dem Schlafen. Der 3h Wachrhytmus hat sich bewährt. Da ich insgesamt genug Schlaf bekomme, macht mir das Aufstehen in der Nacht nichts aus. Christine tut sich mit dem Hochkommen etwas schwerer. Habe deshalb meine 00 - 03 Schicht meistens um 1 h, manchmal auch länger, ausgedehnt. Quer im Schiff schlafen ist perfekt.Wenn das Boot zu beiden Seiten schlingert, kann man sich in der achteren Doppel-Koje, die trapezförmig zum Kopfteil hin enger wird, so positionieren, dass Kopf und Füße jeweils am Seitenpolster anstoßen, dann kann man nirgendwo mehr hin rutschen.

Kochen und Lebensmittel: Haben viel Salat gegessen, die Krautköpfe (rot und weiß) haben sich bis heute gut gehalten. Wenn es ruppiger zugeht, ist die Microwelle fein. Dosengericht aufmachen, aufwärmen, fertig. Ansonsten hätten wir ruhig noch etwas mehr Obst (vor allem Orangen) und auch Joghurts (haben wir in Mindelo nichts brauchbares gefunden) mitnehmen können. Bevorratung insgesamt aber mehr als ausreichend. Noch 100 Liter Mineralwasser an Bord, auch Cola Light, Bier (alkoholfrei und normales) und Sprite (jeden Tag ein großes, kühles Radler ist was feines!) sind noch reichlich da. Beim nächsten Mal vielleicht noch etwas mehr Apfelsaft. Während des Törns aus Sicherheitsgründen keinen Alkohol getrunken. Zwei, drei Tage wären vielleicht gut zum Angeln gewesen, aber  die Lust hat gefehlt (dazu sollte es nicht viel Seegang haben und auch das Boot nicht zu schnell sein).

Seekrankheit: Die ersten drei Tage ging es super bei Christine, danach ging es mit Tabletten bzw. Kaugummi (Miklozin) auch ganz gut. Allerdings nicht so gut, dass sie alles hätte tun können, z.B. lesen. Sie hat deshalb den ipod mit seinen Schätzen sehr schätzen gelernt. Ansonsten viel Zeit zum Nachdenken. Nach dem Essen zubereiten oder einer Hygienesession im Bad musste sie dann doch manchmal schnell wieder an Deck. Obwohl sie sonst ja Kaffeefan ist, verweigert sie sich diesem auf See ziemlich konsequent. Sie sagt, sie brauche keine langen Törns mehr. Obwohl ich Seekrankheit ja aus persönlicher Erfahrung auch sehr gut kenne, scheine ich hier an Bord nahezu immun dagegen zu sein, auch ohne Medikamente oder sonstige Aktivitäten. Wundert mich selber, freut mich aber. Habe bei jedem Wetter, das wir bisher hatten, auch den leicht Seekrankheit verursachenden Beschäftigungen, wie Lesen und am Computer arbeiten, nachgehen können.

Strom: Die Maschine musste nicht einmal laufen, um Strom zu erzeugen. Im Extremfall waren die Batterien morgens auf 330 AH Restkapazität (d.h. 65 AH weniger als voll) runter. Wegen der hohen Sonnenscheindauer waren diese i.d.R. nachmittags um 3 wieder voll geladen. Allerdings läuft der Laptop auch nur noch, wenn er gebraucht wird und nicht im Dauerbetrieb (d.h. meistens eine halbe Stunde um die Mittagszeit und die 3 - 4 Stunden meiner Nachtwache).

Um 2030 kommen die ersten Funkelfeuer, weiß, in Sicht, um 22 Uhr ist Inselbeleuchtung zu erkennen. Um 0100 liegt Antigua 5 sm vor uns, bis English Harbour sind es noch 10, bis Jolly Harbour 25 Meilen.

 

 

 

 

 

 

Sonntag, 19. Dezember 2010, Richtung Antigua, 15. Tag auf See

 

Die Nächte werden immer heller. Wir nähern uns dem Vollmond und diese Beleuchtung ist phantastisch. Man kann an Deck alles wunderbar erkennen. Die Wirkung ist übrigens auch da, wenn es ziemlich bewölkt ist. Der Vollmond hat übrigens noch einen großen Vorteil: Er steht die ganze Nacht am Himmel, während z.B. der Halbmond nur die halbe Nacht zu sehen ist, und zwar der zunehmende Mond in der ersten und der abnehmende Mond in der zweiten Nachthälfte. Die schmalen Sicheln kurz vor oder hinter Neumond sind nur ganz kurz zu sehen, weil sie so dicht bei der Sonne stehen und deshalb, anders als der Halbmond, auch tagsüber kaum zu entdecken sind. War mir bisher auch nicht so klar, aber wenn man das Tag für Tag so beobachten kann …

 

In diesen Breiten scheint die Sonne derzeit etwa 11 Stunden, 12 Stunden lang kann man draußen lesen und 11 Stunden ist tiefschwarze Nacht, jedenfalls bei Neumond und Bewölkung. Heute früh, es war noch dunkel, haben wir mal wieder einen Satelliten beobachtet, der mit einem Affentempo über den Himmel gezogen ist. Von der Sonne angestrahlt, war er deutlich heller als die Venus. Man konnte schön beobachten, wie er auf seiner Zugbahn dann schnell dunkler wurde und "verlosch".

 

Der Wind dreht von NE auf E, deshalb drehen wir um 8 Uhr nach Backbord auf unseren Zielkurs 265, stecken den Spargel in die Genua an Stb und ziehen Bb das Groß auf. Diesmal läuft es prima. Hydro und Autopilot steuern das ganz gut aus. Wind 5, beide Segel gerefft. Speed zwischen 6 und 7 Knoten. Abends reffen wir dann komplett aus, weil der Wind auf 3 zurückgeht. Sind mittlerweile sehr zuversichtlich, dass wir schon am 21. einlaufen können und wahrscheinlich nur die letzten 50 Meilen oder noch weniger motoren müssen. Ziel ist English Harbour, Nelsons ehemaliger Flottenstützpunkt an der Südküste Antiguas.

 

Wieder mit 168 Meilen ein tolles etmal. Nach Mittag stellen wir die Zeit um eine Stunde zurück auf UTC-3, jetzt also 4 Stunden versus Heimat. In Antigua müssen wir noch eine Stunde weiter zurück. Wir sehen einen großen, majestätischen Vogel am Himmel dahingleiten, ohne einen einzigen Flügelschlag. Eine schwarze, tolle Silhoutte mit gepfeilten Flügeln. Der Fregattvogel kündigt Landnähe an. Übrigens, während der gesamten Überquerung haben wir täglich Vögel gesehen, irgendeine Möwenart. Bislang dachte ich immer, Vögel gibt es nur in Landnähe. Mal wieder ein Segler. Um 14 Uhr überholt uns eine Yawl unter Groß und Spi. Bestimmt 50 Jahre alt, das Schiff (damals hatten die noch keinen Funk, jedenfalls antworten die nicht auf unseren Anruf, obwohl sie uns in einer halben Meile passieren).

 

Dann entdecke ich bei einem Blick ins Eingeweide unseres Hecks etwas, das mir Sorgen macht. Die Ruderwelle (das ist die Achse, die durch das Ruder geht und im Schiff in zwei Lagern liegt) hat ganz schön Spiel. Oberhalb des Quadranten, auf dem der Vierkantabschluss für die Aufnahme der Notpinne ist, bewegt sich die Welle durch den Seegangseinfluss schätzungsweise 5 mm. Ich nehme nicht an, dass das so sein soll. Im Eignerhandbuch gibt es dazu keine Anmerkungen. Weiß auch nicht, ob das neu ist oder schon länger in diesem Zustand, denn so genau habe ich da unterwegs noch nie hingesehen. Schlimmstenfalls müssen wir aus dem Wasser und sehen, wo wir neue Lager herbekommen. Ein anderes, etwas ärgerliches Detail ist, dass die Stopfbuchse, die die Motorwelle gegen den Wasserdruck abdichtet, auch unter Segel tropft. Schätzungsweise ein Viertel Liter am Tag. Sollte nicht sein, denn die habe ich vor einem halben Jahr erst eingebaut. Vielleicht lässt sich das mit etwas Fett reduzieren, aber schön ist das nicht. 

Tolles Segeln bis und nach Mitternacht: Schmetterling mit 7 Knoten bei Vollmond, und das ohne große Schiffsbewegungen, denn der Seegang ist deulich weniger geworden.

   

 

 

 

 

 

 

 

Samstag, 18. Dezember 2010, Richtung Antigua, 14. Tag auf See

Das Wetter hat es in sich. Kurz nach Mitternacht legen die Böen auf 30 bis 35 Knoten zu und dann bekommen wir den ersten richtigen Regen mit. Es schüttet wie aus Kübeln. Ich kann mich gerade noch nach innen verziehen und die Luken schließen und hoffen, dass die Selbststeueranlagen (den Autopilot hatte ich sicherheitshalber kurz vorher noch mit zugeschaltet) allein klarkommen. Es widerstrebt mir, jetzt Ölzeug anzulegen und draußen zu sein, wenn es nicht sein muss. Dabei ist es jetzt auch in der Nacht ausgesprochen warm  (ich würde mal 28 Grad schätzen), obwohl der Wind doch aus Nordosten kommt.

Zum wiederholten Male erleben wir jetzt, dass die Windprognose, wenn sie schon etwas mehr Wind forecasted, in diesem Fall 17 Knoten, gerne untertreibt. In den letzten Stunden liegt der Durchschnitt sicher bei 25 Knoten, gar nicht zu reden von den teils heftigen Böen. Nun ja, langsam wissen wir jetzt, dass wir in solchen Fällen jedenfalls gewappnet sein sollten. Bin froh, dass wir gestern Abend das Großsegel noch gerefft hatten. Jedenfalls machen wir jetzt das schlappe Etmal von gestern wieder wett. Der Wind nimmt weiter zu. Um 2 Uhr reffe ich das Groß bis auf 5 qm weg, um 4 Uhr rolle ich den ersten Meter der Genua ein. Damit kommt der Segelschwerpunkt weiter nach unten, die extreme Krängung, resultierend aus Wind und Welle, nimmt ab und die Speed geht auf 7,5 Knoten im Schnitt zurück. Die höchste Geschwindigkeit, die ich heute Nacht beobachtet habe, waren 9,6 Knoten. Ich halte mich die meiste Zeit im Schiff auf, nur zum Reffen und hin und wieder mal nach dem Rechten sehen, gehe ich raus. Zeitvertreib mit "Ocean's Eleven". Da Christine immer mal wieder wach ist, lasse ich sie bis 8 Uhr schlafen, obwohl sie am Morgen dennoch ziemlich gerädert ist. Ich selbst haue mich dann aufs Ohr, bin aber gar nicht richtig müde und so wird es nur ein Dahindämmern.

Mittagsposition: Na, der Hack hat sich diesmal richtig gelohnt. Rekord-Etmal von 171 Seemeilen, das sind 7,1 Knoten im 24 Stunden Durchschnitt. Da kommt gleich die Begehrlichkeit auf, vielleicht doch schon am 21. einlaufen zu  können. Wegen der vielen Riffe sollte man aber bei hochstehender  Sonne, und die möglichst im Rücken, ankommen, um diese visuell ausmachen zu können. Die Riffe sind nämlich weder ausgetonnt, noch sollte man sich zu sehr auf das GPS verlassen bzw. die Genauigkeit des Kartenmaterials.

Nachmittags um 3 haben wir alles wieder ausgerefft, abends nehmen wir das Groß wieder zu drei Vierteln weg. Es läuft immer noch sehr flott mit 7 Kn im Schnitt. Entsprechend viel Bewegung ist nach wie vor im Schiff. Chili Con Carne aus der Dose/Microwelle schmeckt super. Um 20 Uhr kommt entdecke ich in 6 Meilen Entfernung (Radar) einen entgegenkommenden Frachter. 10 Minuten später ist er Steuerbord querab. Den rufe ich mal an auf 16 und es gibt tatsächlich eine Antwort. Ist wohl einer junger Offizier auf Wache, der mich nach dem "switch to channel 06" gleich mit "how can I help you, Sir" begrüßt. Ich will wissen, ob, und wie gut er uns auf dem Radar sieht. Er sieht uns sowohl optisch, wie auch auf dem Radar sehr gut. Zur Überprüfung frage ich noch nach dem Abstand. 3,7 nautical miles. Ja, das stimmt mit unserem Radar überein. Dann wünschen wir uns noch gegenseitig eine gute Wache und eine Viertelstunde später ist von ihm nichts mehr zu sehen. Ist doch beruhigend zu wissen, dass uns die Großschiffahrt offenbar gut ausmachen kann.

 

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Freitag, 17. Dezember 2010, Richtung Karibik, 13. Tag auf See

 

Die Nacht ist nervend, der Wind weiß nicht, was er will. Motor an, Motor aus. Segel setzen, Segel bergen. Erst im Morgengrauen kann die Maschine endgültig ruhen und wir können wieder mit 5 Knoten segeln. Vollzeug, der Wind kommt aus NE und schwankt den ganzen Tag über zwischen 3 und 5 Beaufort. Das ist lästig, weil die Windsteueranlage damit Probleme hat und öfter mal neu eingestellt werden muß. Kleines Etmal von 105 nm.  Am Abend wird der Wind dann zunächst konstanter und legt ab 20 Uhr auf 24 bis 30 Knoten zu. Jetzt geht was weiter! Es rauscht und zischt. Trotz gerefftem Großsegel: Die Gipsy rennt zwischen 8 und 9 Knoten, was wir auch mal brauchen, denn so wie es aussieht bekommen wir am 20. und 21. eine Schwachwindphase. Absehbar, dass wir diese beiden Tage Diesel verfeuern müssen, wenn wir am 22. einlaufen wollen. Könnte sich sogar ausgehen, ohne die Reservekanister in den Tank umfüllen zu müssen. Mal sehen.

Um Mitternacht ist unsere Reststrecke nur noch 490 Meilen, das ist die Entfernung, wie von Lissabon nach Madeira.

 

 

Donnerstag, 16. Dezember 2010, Richtung Karibik, 12. Tag auf See

 

Im Laufe des Vormittags flaut der Wind stark ab und auch wenn die Wellen nach wie vor ein ordentliches Schlingern des Bootes verursachen, wird etwas Hausputz gemacht und die Betten an Deck gelüftet. Der Wind hat auf SE gedreht und um 15 Uhr nehmen wir deshalb den Spibaum weg und setzen das Groß. Zunächst können wir damit die Geschwindigkeit wieder von 2 auf 4 Knoten steigern, aber eine Stunde später treiben uns die 5 Knoten Wind nur noch mit gut einem Knoten vorwärts. Also schmeißen wir die Maschine an, die erstmals seit dem 5. Dezember wieder läuft und uns das auch zeigt, indem der Auspuff am Heck für die ersten Rülpser erst mal braunes Wasser auswirft. Das habe ich so noch nie beobachtet und hoffe, dass das kein allzu schlechtes Zeichen ist, befürchte aber, dass es sich um Korrosionsrückstände entweder aus dem Wassersammler oder aus dem Seewasserkühlkreislauf handelt. Wäre beides nicht gut. Franz, any input?

 

Bevor es dunkel wird, sind rings um uns herum, allerdings in größerer Entfernung, große Regenwolken zu sehen, die, erkennbar an den grauen Schleiern, die sie zur Meeresoberfläche entsenden, kräftig Wasser lassen. In der Nacht oder Morgen früh sollte der Wind auf NE drehen und etwas zulegen. Das könnten wir gebrauchen.

 

Die Winddrehung und -zunahme kommt plötzlich, gemeinsam mit einem kleinen Regenschauer, schon um 20 Uhr. Also kommen die Segel raus und die Maschine kann sich wieder ausruhen. Leider ist der Wind nicht von Dauer und Christine nimmt um 22 Uhr die Segel wieder weg. Als der Motor anspringt, schreckt es mich aus der Koje hoch, schließlich befindet sich der ja mehr oder weniger im Schlafzimmer. Christine berichtet über einige Delfine, die im Mondlicht gut zu sehen gewesen seien.

 

 

  

 

 

 

 

 

Mittwoch, 15. Dezember 2010, Richtung Karibik, 11. Tag auf See

Während meiner Nachtwache sitze ich vorm Laptop und schaue mir Fotos aus den letzten 5 Monaten an, was mittlerweile übrigens über 4000 sind. Dann bin ich doch sehr überrascht, als ich entdecke, dass die Schweizer Yacht Gatorali, die wir vor ein paar Tagen "in the middle of the ocean" getroffen haben, schon einmal mit uns vor Graciosa in derselben Ankerbucht gelegen hat. Wir hatten damals sogar ein paar Worte mit ihnen gewechselt. Bei den vielen Yachten, die wir mittlerweile gesehen haben, ist uns das jetzt auf See aber nicht bewusst geworden.

Dieweil ich mir also die Fotos ansehe, höre ich neben mir an Deck neben den zahlreichen anderen Geräuschen plötzlich ein unregelmäßiges Klopfen, das nicht von einem Schlage der Fockschot herrührt. Wird wohl ein fliegender Fisch gewesen sein, der da seine letzten Kiemenzüge tut. Da wir nachts, wenn wir allein Wache gehen, vereinbarungsgemäß das Cockpit nicht verlassen, kann ich nichts zur Rettung des Tierchens unternehmen. Bisher haben wir die Fische immer erst tot an Deck gefunden, wahrscheinlich deshalb, weil sie nachts an Bord landen. Ob das damit zusammenhängt, dass sie tagsüber das Hindernis erkennen können, im Dunkeln aber nicht? Ich meine, mich übrigens erinnern zu können, dass fliegende Fische deswegen nicht in die Pfanne kommen, weil sie nur aus Gräten bestehen. Von der Größe her, wären zwei Stück schon eine schöne Mahlzeit. Wir haben keine Lust zu experimentieren, da wir hinsichtlich unserer Vorräte noch lange nicht auf dem letzten Loch pfeifen.

Tatsächlich sehen wir dann später einen Fisch auf dem Bb-Außendeck liegen. Noch beeindruckender ist aber, dass Christine in der Frühschicht so ein fliegendes Viech an den Kopf knallt, genauer gesagt, an die rechte Schläfe. Die Suche im Cockpit bleibt erfolglos und Gott sei dank auch diejenige in unserer Achterkabine, denn die Fenster von dort ins Cockpit haben wir meistens geöffnet. Wahrscheinlich hätte mich so ein zappelndes Getier auf der Bettdecke dann aber schon aus dem Schlaf gerissen. Im Cockpit finden sich nur einige Schuppenfetzen. Ich selbst werde von Christines Ruf "Ronald, komm schnell, Wale", um 0730 im Morgengrauen an Deck gerufen. Ein paar kleinere Grindwale, vielleicht 3m lang, sind ganz dicht beim Boot und begleiten uns eine Weile. Anders als Delfine, holen sie seltener Luft und die Bewegungen sind deutlich gemächlicher. Auch schwimmen sie eher neben, als vor dem Schiff.

Dann entdecken wir mal wieder einen anderen Segler, Stb querab. Das Radar sagt 4,5 Meilen Abstand. Die Funkverbindung klappt und wir kriegen mit, dass es sich um eine italienische Dufour 525 handelt, mit 3 Mann an Bord. Kommen auch von Mindelo, sind dort aber erst am 7.12., also 2 Tage später, als wir von Sta Luzia, gestartet, und wollen nach Martinique. Als wir unseren Namen sagen, hören wir, dass die uns von Mindelo her kennen. Wir können uns aber nicht erinnern. Mit 15 m Länge, gesetztem Blister und Großsegel sind sie jedenfalls sauschnell unterwegs und laufen 9 Knoten. Bei uns sind es 6,5.

Im Laufe des Tages dreht der Wind auf ESE. Deshalb müssen wir die Genua samt Baum nach Stb schiften. Dabei schlägt mir der Spi-Baum an den Kopf (ohne nachhaltigen Schaden zu verursachen), weil er nach dem Ausklinken zu viel Kontakt mit der schlagenden Fockschot hat.  Noch 730 Meilen, das ist kürzer als die Strecke von den Kanaren zu den Kapverden.

 

 

 

 

 

Dienstag, 14. Dezember 2010, Richtung Karibik, 10. Tag auf See

 

Kurz nach Mittag kommt mit einer großen Regenwolke wieder ein ordentlicher Schuss Wind und mit vollem Groß und Genua läuft die Gipsy auf dem Raumschotskurs zeitweilig über 9 Knoten. Diese Freude währt allerdings nicht sehr lang, danach wird der Kurs, den wir mit beiden Segeln fahren können, mit 300 Grad zu nördlich und deshalb kommt wieder der Baum in die Fock. Das Groß rollen wir zur Hälfte weg und setzen es dichtgeknallt mittschiffs, um das Schlingern etwas zu dämpfen. Die Speed geht auf 5 Knoten runter.

 

Zu Mittag macht die Capitana einen Eintopf, der für zwei Tage reicht. Kartoffeln, Zwiebeln, Bohnen, Kichererbsen und noch irgendwas, als Einlage kleine Hühnerfrikadellen aus der Dose, die wir irgendwo auf den Kanaren oder in Madeira gekauft hatten. Später gibt es den Wind jedenfalls nicht nur an Deck. Vielleicht liegt das aber auch an dem Vollkornbrot, das wir jetzt vermehrt essen, seitdem die Joghurts für das Frühstücksmüsli ausgegangen sind. Alkohol trinken wir auf See übrigens nicht.

Noch 860 Meilen. Rechne damit, dass wir am 22. Dezember in Antigua ankommen und entweder in English Harbour an der Südküste, oder in Jolly Harbour im Westen einklarieren werden. Der zunehmende Mond lässt die Nächte immer heller werden und geht zusehends später unter. In dieser Nacht wird das gegen 2 Uhr der Fall sein, morgen schon etwa eine Stunde später.

 

 

Montag, 13. Dezember 2010, Richtung Karibik, 9. Tag auf See

Um 1330 haben wir die Hälfte der gesamten Strecke von 2140 Meilen geschafft und um kurz nach Mitternacht, gerade, als ich diese Zeilen schreibe, sinkt die Restentfernung nach Antigua unter 1000 Meilen. Das ging bisher doch ganz flott und die Tage vergehen im Flug.

Weil der Wind schwächer wird (Bft 3-4), versuchen wir es noch einmal mit Schmetterling, Groß an Stb. Aber die Segel schlagen einfach zu stark und 250 Grad ist auch etwas weit weg vom richtigen Kurs. Die Genua allein bringt uns allerdings nur noch auf 4 Knoten und das ist auch unbefriedigend. Also nehmen wir den Spibaum weg (der Niederholer, der unter der Vorschiffsklampe geführt wird, ist an dieser Stelle schon fast durchschamfilt, wie ich heute feststellen musste), das Groß auch nach Bb und luven etwas an. Jetzt müssen wir mindestens 280 Grad steuern, damit der scheinbare Wind (das ist die Resultierende aus wahrem Wind und Fahrtwind, der Wind, mit dem man letztlich segelt) nicht achterlicher einfällt als maximal 110 Grad. Wenn das nämlich der Fall ist, steht die Genua nicht voll und zieht nicht mehr. 5 Grad Kursunterschied machen einen Geschwindigkeitsunterschied von mehr als einem Knoten aus. Um das so genau wie möglich hinzukriegen, muß wieder der Autopilot mitlaufen. Jetzt haben wir ein stabileres Schiff und sobald der Wind in den Böen immer mal wieder auf 15 oder 17 Knoten anzieht, beschleunigt die Gipsy schnell auf 8 Knoten. Das ist eine Geschwindigkeit, die die Bewegungen wieder deutlich verändert. Ruckartiger geht es zu. Jede Welle, die an den Bug klatscht, drückt das Boot zur Seite und je schneller man da hineinfährt, umso schneller reagiert das Schiff. Wir fangen schon an, uns auszurechnen, wann wir ankommen könnten, wenn das unser neuer Durchschnitt wäre. Aber daran ist natürlich nicht zu denken.

Was treiben wir so den ganzen Tag an Bord? Tagsüber sind wir die meiste Zeit gemeinsam an Deck und wenn nicht gerade einer was kocht bzw. Essen zubereitet oder mit der Navigation beschäftigt ist (was nicht viel Zeit in Anspruch nimmt), plaudern oder lesen wir, hören Musik oder betrachten einfach fasziniert die Umgebung: Wolken, Wellen, Sonnen- und Mondauf- und -untergänge, fliegende Fische (heute hatten wir zwei Stück an Deck). In den Nachtwachen schreibe ich das Tagebuch und erledige die Funksession, d.h. Absetzen des Positionsreports und Empfang des Wetterberichts. Manchmal ist es schön, nachts einfach an Deck zu sitzen und in die Sterne zu schauen, wenn das zu langweilig wird, lesen wir mit der Stirnlampe (oder unter Deck mit der Leselampe) oder sehen fern (Video am Laptop). In letzteren Fällen geht es natürlich alle 15 Minuten an Deck um nach anderen Fahrzeugen Ausschau zu halten. Die Segelei selbst fällt als Zeitfaktor kaum ins Gewicht, denn wenn die Segel einmal stehen, fährt sich das Schiff von selbst. Die Temperaturen sind äußerst angenehm. Im Schiff schwanken die Werte zwischen 26 und 30 Grad, draußen hängt es davon ab, ob wir das Bimini ausklappen, oder nicht, aber meistens ist man mit kurzer Hose und T-Shirt gut angezogen. Wenn wir nachts länger an Deck sind, kommt noch ein Pulli dazu. Zwischendurch denken wir mal an die Adventszeit und die Temperaturen in der Heimat.

 

 

Sonntag, 12. Dezember 2010, Richtung Karibik, 8. Tag auf See

 

Schönstes Wetter, am Morgen geht der Wind auf 4 - 5 runter und die Wellenhöhe reduziert sich auf zwei bis zweieinhalb Meter. Da geht es Christine auch wieder besser. Mit der ausgebaumten Genua laufen wir 5 Knoten, das lassen wir erstmal so. Mittags gibt es seit langem mal wieder was warmes: Rösti mit Ei, man könnte auch sagen, Bauernfrühstück, aus der Pfanne. Der halbkardanisch aufgehängte Herd pendelt alle seitlichen Schiffsbewegungen prima aus.

 

Um 1530 sehen wir Stb achteraus ein Segel, hell von der Sonne angestrahlt, auf Parallelkurs. Genauer gesagt: wir sehen das Segel nur hin und wieder, denn wenn unser oder das andere Boot im Wellental verschwindet, sehen wir nur Blau, nämlich das dunkle Wasser und den hellen Himmel. Der wird wohl schneller sein, als wir, denn sonst hätten wir ihn ja schon früher sehen müssen. Sind gespannt, ob es zu einer Kontaktaufnahme kommt.

 

Tatsächlich: Um 1745, eine Viertelstunde nachdem wir einen vergeblichen Anruf getätigt hatten, werden wir auf Kanal 16, zunächst auf französisch, angerufen. Als ich in englisch antworte, wird das Micro dort an eine Dame weitergeleitet, die gut englisch spricht. Es handelt sich um den französischen 44 Fuß Katamaran Shamalu mit 5 Personen an Bord, kommend von Mindelo mit Ziel St. Lucia oder Martinique. Obwohl die mit Gennaker und Genua Schmetterling fahren, sind sie mit 6 kn nur eine halbe Meile pro Stunde schneller als wir. Wir sind das erste  Schiff, denen sie begegnen. Da sie Schmetterling fahren, ist ihr Kurs um ca 20 Grad südlicher, als unserer und um 20 Uhr kreuzen sie unser Kielwasser in weniger als einer halben Meile Abstand, Es ist natürlich schon dunkel, aber trotz des hellen Halbmonds können wir nun nur noch das grüne Seitenlicht erkennen. Um ein Uhr ist es Bb querab noch schwach zu erkennen.

 

Kurz vor Mitternacht haben wir unsere tausendste Seemeile auf diesem Törn abgespult. Im Laufe des kommenden Tages können wir Bergfest feiern.

 

 

 

 

 

 

 

Samstag, 11. Dezember 2010, Richtung Karibik, 7. Tag auf See

 

Viel Sonne, Wind den ganzen Tag um 5 aus 070 Grad. An Bb ausgebaumte Genua. Mit relativem Wind 160 Grad von Steuerbord können wir unser Ziel Antigua in 272 Grad wieder direkt anliegen. Als Mittags der Wind für eine Stunde mal auf 4 retour geht, versuchen wir, Schmetterling zu segeln, d.h. das Großsegel an Stb. zu setzen. Erhöht die speed, aber weder Hydro noch Autopilot können genau genug steuern um ein Schlagen der Segel zu verhindern. Nach einer Stunde beenden wir das Experiment.

 

Auch wenn die Schlingerbewegungen nur noch selten 20 Grad erreichen, eiert der Kahn auf diesem Kurs ganz gewaltig. Die Geräuschkulisse im Schiff ist eine Mischung aus knarrenden und knarzenden Holzverbindungen, schlagendem Geschirr und Besteck und Vorräten (alles kann man gar nicht so festzurren, dass nichts klappert), aus an- und abschwellendem Rauschen des Wassers und der Windgeräusche. Zum Wachwechsel um Mitternacht legt der Wind wieder zu auf 6. Wir rollen die Genua einen Meter ein. Etmal 142 Meilen. Heute Nachmittag haben wir die Uhren auf UTC-2 zurückgestellt, d.h. wir haben jetzt 3 Stunden Zeitdifferenz zur MEZ.

 

Am Abend mache ich uns einen großen, gemischten Salat mit Oliven und Thunfisch aus der Dose. Bei diesen Bedingungen liegt die Kocherei bei mir und Christine ist bemüht, es sich an Deck so gut wie möglich gehen zu lassen. Unsere Bestände an frischem Gemüse, wie Paprika, Tomaten, Gurken gehen damit zur Neige. Bisher ist kaum etwas schlecht geworden. Die Zubereitung geht nur so, dass man jeweils ein Gemüse aus dem Kühlschrank holt und kleinschnippelt (gewaschen wurde es schon beim Einräumen), dann das nächste. Insbesondere runde Teile, wie z.B. Paprika oder Tomaten, kann man nämlich keineswegs irgendwo ablegen, ohne dass sie sich sofort selbständig machen und durch die Gegend sausen. Der Salat schmeckt ob dieser besonderen Mühen umso besser.

 

 

Freitag, 10. Dezember 2010, Richtung Karibik, 6. Tag auf See

 

Am Morgen mit Sonnenaufgang sieht die Welt schon wieder etwas rosiger aus. Die Regenwolken sind verschwunden und wir haben wieder die typischen Passatwölkchen, d.h. zu 90 Prozent Sonnenschein. Es hat immer noch eine stetige "Sechs" und die Wellen sind natürlich nach wie vor hoch, aber es gibt erstmal keine Böen mehr mit Sieben, Acht oder Neun. Deshalb wird die Genua wieder auf volle Größe ausgerollt. Erstmals hat der Windgenerator so viel zu tun, dass er die ganze Nacht über die Batterien im vollen Ladezustand hält.

 

Jetzt vielleicht mal ein paar Worte zum Thema Leben an Bord bei solchen besonders  unruhigen Verhältnissen. Schlafen funktioniert quer zur Schiffsrichtung ganz gut, auch wenn man natürlich auf der Matratze hin und hergezerrt wird. Kochen fällt aus, stattdessen gibt es zum Frühstück Obst mit Joghurt (wie sonst auch) und zu den anderen Mahlzeiten belegte Brote oder Obst (solange noch welches da ist). Kaffee oder Tee können wir uns immer machen, mit dem elektrischen Wasserkocher geht das ganz gut (0,8 Liter kosten 6 Ampere). Auch ein Dosengericht in der Microwelle (z.B. Ravioli) geht noch, wenn es ziemlich schaukelt. Auf den Drehteller kommt eine rutschfeste Matte, dann das Essen in einen Plastiktopf mit Deckel und los geht's. Das ist deutlich besser, als mit dem Gasherd hantieren zu müssen. Außerdem ist Strom bei uns erneuerbare Energie. Für den ärgsten Notfall haben wir jede Menge Tuc Cracker mitgenommen, die gestern Christines Leibgericht waren, mit oder ohne Philadelphia drauf. Körperpflege: Fast wäre ich geneigt zu sagen "fällt aus", aber das stimmt natürlich nicht ganz. Zähneputzen findet immer statt, wie üblich, aber das Waschen leidet unter extremen Verhältnissen natürlich schon. Man entdeckt auf jeden Fall wieder die Vorzüge eines Waschlappens. Trotzdem wird heute Nachmittag an Deck "ausgiebig" geduscht.


Ansonsten finden wir heute unseren ersten fliegenden Fisch an Deck, von denen wir ja schon tausende gesehen haben. Dieser liegt wohl schon ein paar Stunden dort und ist schon steif. Außerdem sehen wir zwei große Handelsschiffe in weiter Entfernung vor uns, die von Nord nach Süd fahren. Die Genua haben wir jetzt mit dem Spibaum ausgespreizt, da fällt sie nicht so schnell ein. Gutes etmal von 153 Meilen. Wind entspricht mit knapp über 20 Knoten jetzt dem forecast. Ganzen Tag über traumhaften Sonnenschein gehabt und sternklare Nacht. Zunehmender Mond im ersten Viertel, Untergang 2325 UTC-1.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Donnerstag, 9. Dezember 2010, Richtung Karibik, 5. Tag auf See

 

Das ständige Weckerklingeln alle 15 Minuten lässt auch Christine immer wieder wach werden und so beenden wir dieses Experiment um zwei Uhr und die Capitana übernimmt die Wache bis 0530. In der Morgendämmerung gibt es den ersten kleinen Nieselschauer und im Verlauf des Tages kommen immer größere Wolken, aus denen es deutlich sichtbar schüttet. Allerdings ziehen diese Regenfelder links und rechts an uns vorbei. Wohl bringen die Wolken aber richtig Wind mit.  Um 1230 pfeift es plötzlich um Oktaven höher. In nullkommanichts haben wir sechs Windstärken, in Böen sieben mit bis zu 31 Knoten Wind. Die See baut sich schnell auf und erreicht 4 m Wellenhöhe. Christine geht es heute nicht so gut, sie liegt in der Koje und ich bin an Deck und muß zügig reffen. Die Genua wird kleiner gerollt und das Groß kommt ganz weg. Mit dem Einsetzen der Böe stelle ich auf Handsteuerung um, weil die Hydro die plötzliche Windverstärkung nicht mehr aussteuern kann. Nach dem Reffen geht es dann wieder ganz gut. Glücklicherweise kommt der Wind aus NE, so dass wir fast auf Westkurs bleiben können und mit raumschots die Sache noch nicht zu einer Materialschlacht wird. Mir geht es erstaunlicherweise sehr gut, kein Anzeichen von Übelkeit, aber die Capitana leidet seit gestern unter den erschwerten Bedingungen.

 

Nachdem sich der Wind wieder etwas beruhigt hatte, geht es um 16 Uhr erneut los. Und es gibt noch mehr davon. Mehr, als uns lieb ist. Regen bekommen wir zeitweise auch. Der Wind bläst jetzt permanent mit 25 Knoten (6 Bft), geht auch viertelstundenweise auf über 30 Knoten und erreicht Spitzenwerte von 45 Knoten! Das ist Windstärke 9 und das haben wir nicht unbedingt gebraucht. Das Schiff taumelt über die Wellen und schlingert 20 Grad zu jeder Seite. Von links nach rechts in vielleicht 2 Sekunden. Und retour. Wir haben die Genua mehrmals gerefft und jetzt stehen vielleicht noch 5 qm. Damit laufen wir zeitweise 8,5 Knoten. Das ganze Schiff dröhnt dann. Besonders in der Nacht ist es gespenstisch, wenn sich die Wellen dicht hinter unserem Heck brechen und eine großen Schaumteppich hinterlassen. Glücklicherweise geht es Christine nach der Kopfschmerztablette wieder etwas besser und sie kann ihre Wache um 21 Uhr übernehmen. Ich liege gerade eine Stunde in der Koje im Dämmerschlaf als uns eine extrem hohe Welle erwischt. Es kommt mir vor, als stünde ich senkrecht im Bett (ich schlafe quer, wohlgemerkt) und das Schiff würde von 6 auf 0 Knoten abgebremst. Ein Mordsgetöse. Hört sich an, als wäre ein voll geräumter Geschirrschrank von der Wand gefallen. Tatsächlich sind 3 Teller aus dem Regal gefallen und liegen verstreut im Schiff. Die Hydro fabriziert 3 mal eine Halse, bis wir den Autopilot dazuschalten. Insofern ist meine Freiwache ständig durch notwendige Aktivitäten unterbrochen. Schäden haben wir bisher nicht und im Schiff ist es nach wie vor trocken. Dieser Hack war in den Wetterfiles nicht angekündigt, sonst hätten wir sicher versucht, nach Süden auszuweichen. Es wird sich ja irgendwann mal ausblasen.

 

 

 

 

 

 

Mittwoch, 8. Dezember 2010, Richtung Karibik, 4. Tag auf See

 

Weil es tagsüber so ein Drama mit den freien sailmail-Frequenzen ist, bin ich dazu übergegangen, unsere Positionsmeldungen in meiner Nachtwache von 00 bis 03 Uhr abzusetzen. Bin ganz begeistert, dass ich über Belgien schon in der zweiten Nacht sofort eine Verbindung bekomme und diese auch noch mit supertollen Übertragungsgeschwindigkeiten von bis zu 3500 bytes/min funktioniert (in schlechten "Zeiten" manchmal nur 200 bytes/min), obwohl die Station laut propagation nur eine reliability von 75% hat. Das heißt, der Position Report ist in weniger als einer Minute übertragen und der Wetterbericht mit 7 Kb (das ist das Gebiet, das ich abfrage und täglich um unser etmal nach Westen verschiebe: GFS:24N,10N,056W,028W|3,3|0,12..168|PRMSL,WIND,WAVES, 7 Tage) braucht für den Empfang auch nur 2 Minuten. Da die gesamte ARC mittlerweile einige hundert Meilen im Westen sein dürfte, ist Belgien für die nun wohl außer Reichweite und deshalb gibt es da für uns offenbar schön viel Platz.

 

Mittags nimmt der Wind auf 20 kn zu, was gar nicht angekündigt war und uns zum Reffen des Großsegels zwingt. Schlagartig wird es ungemütlich an Bord. Wir tragen das Gurtzeug an Deck. Nach einer Stunde geht er wieder auf 14 kn retour, aber am Abend ist er wieder da, und das war auch so geforcasted. Die Genua bleibt voll stehen, aber das Groß wird bis auf 5 qm eingerollt. Trotzdem donnern wir noch mit 7 Knoten durch die Gegend. Die Querbeschleunigungen erinnern mich an eine Achterbahnfahrt, nur dass diese hier nicht nach 5 Minuten beendet ist. Der Wind pfeift im Schnitt mit gut 20 Knoten, in der Spitze sind es auch 26. Wir probieren eine andere Wachlösung. Christine schläft durch und ich lege mich daneben, stehe aber alle 15 Minuten auf um mal kurz einen Blick in die Runde zu nehmen. Ist relativ anstrengend. Weiß noch nicht, ob das für eine Dauerlösung taugt. Bis Mitternacht liefert der Windgenerator erstmals die komplette elektrische Energie, die gebraucht wird.

 

Dienstag, 7. Dezember 2010, Richtung Karibik, 3. Tag auf See

Als ich um 3 Uhr die Wache an Christine übergebe, sieht sie hin und wieder an Steuerbord voraus ein weißes Licht in der Kimm auftauchen. Da das im Westen ist, kann es kein aufgehender Stern sein (denn die Gestirne gehen nun einmal im Osten auf). Als ich um 6 Uhr wieder dran bin, ist das Licht deutlich zu sehen. Es kann sich also nur um einen Segler mit demselben Kurs handeln, der etwas langsamer ist, als wir. Nachdem die Sonne aufgegangen ist, ist auch das weiße Segel deutlich zu erkennen. Wir kommen langsam näher und steuern so, dass wir dicht herankommen. Weil diese Begegnung ja wohl etwas besonderes ist, machen wir ein paar Fotos. Offenbar sind die drüben gerade im Stress, weil ein Fisch (eine Dorade, wie wir später erfahren) an der Angel hängt.  Im Fernglas sehen wir, dass die andere Seite uns auch durchs Glas beobachtet. Ich schwenke das Funkgerät und nach der Kontaktaufnahme wissen wir, dass es sich um das 9,85 m lange Schweizer Boot Gatorali mit Ziel Tobago handelt. Da können wir natürlich deutsch reden. Wir tauschen email Adressen aus und versprechen, Fotos zu schicken. Das Paar ist auch am Sonntag Mittag ausgelaufen, allerdings aus Mindelo.

An Steuerbord überholt uns in größerer Entfernung ein anderer Segler, der deutlich schneller, wahrscheinlich also auch deutlich größer ist, als wir. Kontakt bekommen wir nicht, finden es aber erstaunlich, dass wir mehr oder weniger gleichzeitig zwei andere Segler um uns haben. Andere Fahrzeuge haben wir bisher nicht gesehen.

Mit dem Sonnenuntergang verschwindet die Gatorali achterhaus hinter der Kimm, den anderen Segler an Steuerbord haben wir schon vorher außer Sicht bekommen. In der ersten Nachthälfte schwankt der Wind sehr stark: zwischen 10 und 16 Knoten. Das mag die Windselbststeueranlage gar nicht, weil sich dabei der Trimm des Schiffs verändert, je mehr Wind, desto luvgieriger. Also muß man am Hauptruder ständig nachtunen. Um Mitternacht überholt uns ein großes Handelsschiff an Steuerbord, vielleicht eine Meile entfernt. Wir sind erstaunt, über die heutige hohe Zahl an Schiffsbegegnungen.

 

 

 

 Dieses Foto haben wir per email von der Gatorali bekommen. Vielen Dank

 

 

 

 

 

Montag, 6. Dezember 2010, Richtung Karibik, 2. Tag auf See

 

Die letzte Nacht war ziemlich nervtötend. Überwiegend schwacher Wind aus NEzE um die 6 bis 8 kn. Sternenklar, aber ohne Mond. Die 3m hohe Dünung kommt aus NW, die Wellen aus NE. Kabbeliges Wasser. Entsprechend unruhig ist das Schiff. Die Querbeschleunigung im Heck, d.h. da, wo wir schlafen, ist nicht ohne. Es kommt uns vor, als wenn jemand die Matratze ständig mit einem Ruck zur einen, dann zur anderen Seite ziehen würde. Die Segel schlagen und die Geschwindigkeit liegt bei 2 bis 3 Knoten. In der Frühwache schalte ich von Autopilot auf Hydrovane um und segle 3 Stunden lang Schmetterling. Auch da knallen die Segel und nachdem ich um 9 die Dame des Schiffs geweckt habe, setzen wir den Spibaum an Steuerbord, nur um gleich darauf festzustellen, dass der Wind auf NNE  gedreht hat und wir jetzt in die falsche Richtung, nämlich nach SSW fahren. Also den Baum wieder raus. Dafür können wir jetzt mit halbem Wind fahren und werden kurze Zeit später sogar mit 11 bis 14 Knoten Wind belohnt. Jetzt geht was weiter. 5 kn durchs Wasser, 6 über Grund, denn der Strom schiebt ordentlich mit. Es ist traumhaftes Wetter und wir haben die typische Passatbewölkung. So weit der Wetterbericht reicht, und das sind jetzt einmal 7 Tage, sollten wir ähnliche Verhältnisse behalten und das wäre absolut Spitze.

 

Tatsächlich hält der Wind mehr oder weniger den ganzen Tag durch, die Dünung geht auf 2 m zurück und die Segel schlagen  nur noch hin und wieder einmal. Das Boot schlingert zwar unruhig hin und her, aber eine Krängung haben wir eigentlich nicht. Das ist für das Leben an Bord recht angenehm, wie auch die Temperaturen. Tagsüber haben wir das Bimini aufgespannt und sind mehr oder weniger nackt an Deck. Da es kein Spritzwasser gibt, sind die meisten Luken offen und es hat "nur" 28 Grad unter Deck, in der Nacht sind es 26 Grad im Schiffsinneren. Sehr passabel. Mehr als ein T-Shirt und kurze Hose braucht es jetzt auch nachts nicht. Seit heute Nachmittag sind es nicht einmal mehr 2000 Meilen bis Antigua. Den Nikolaus sehen wir heute nicht.

 

 

 

 

Sonntag, 5. Dezember 2010, Richtung Karibik

Heute morgen dachte ich schon, der Tageseintrag würde bestehen aus: Faulenzen am Anker. Nachdem der Kat sich am Morgen auf den Weg gemacht hat, sind wir ganz allein mit der Insel. Gegen Mittag erreicht der Wind jedoch Stärke 4 aus Nordost und obwohl der Wetterbericht nur 3 kn Wind angesagt hat, halte ich es nicht mehr aus. Ich überzeuge die Capitana und dann nehmen wir um 1245 den Anker aus dem Grund. Wieder muß ich nach dem Start, wir haben sogar schon die Genua draußen, unters Schiff und das Log säubern. Dann hat es zunächst wenig Wind und ich zweifle schon, ob die Entscheidung, doch heute schon loszusegeln, richtig war. In der Meerenge zwischen Santa Luzia und Sao Vicente bläst es dann aber mit 5 Bft aus NE und wir laufen 6,5 kn dW. Keine Wolke ist am Himmel, und wir freuen uns über den holländischen 3 Mast Topsegelschoner unter Vollzeug, der uns entgegenkommt und ein tolles Bild vor dem Hintergrund der grünen Inseln bietet.

Den schönen Wind gibt es allerdings nur zwischen den Inseln, am späten Nachmittag wird er weniger und ist am Abend um 8 ganz weg. Kurz vor Sonnenuntergang, knallrot und ohne eine Wolke davor, sehen wir rund um uns herum Wale. Ein paar Grindwale kommen bis auf 10 m ans Schiff heran, nicht ganz so dicht dabei, aber gut zu erkennen, springen ein paar Buckelwale aus dem Wasser und lassen sich unter lautem Getöse auf den Rücken fallen. Wir sind beeindruckt..

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Samstag, 4. Dezember 2010, am Anker vor Sta Luzia

 

Einen anderen Absturz, oder besser einen Programmfehler, gab es allerdings gestern abend noch im sailmail-Programm, über das die Positionsreports abgesetzt werden. Darin gibt es ein sogenanntes "propagation"-tool, in dem man nachschauen kann, wie gut die Übermittlungschancen an die jeweiligen Stationen auf den einzelnen Frequenzen sind. Das ändert sich sowohl mit der Tageszeit, wie auch mit der Schiffsposition. Das Ding zeigt gar nichts mehr an, nur noch rote Felder ohne Zahlen drin. Glücklicherweise gibt es eine Reserve, weil ich das Programm auch auf das kleine notebook geladen hatte. Dort funktioniert es noch. Ist nur etwas lästig, zwei Computer einschalten zu müssen. Ob der Fehler mit dem Herunterladen des neuen Navigationsprogramms zusammenhängen kann? Jetzt auf See will ich jedenfalls nicht herumexperimentieren und lieber mit der back-up Lösung leben.

 

Am Anker hatten wir heute erstaunlich viel Wind aus Nordost, in den Böen bis 16 Knoten. Das wäre auch schon gut zum Segeln gewesen, aber ich nehme an, dass es sich dabei nur um Fallböen von den Bergen vor uns handelt. Den Tag verbringen wir mit Lesen, Baden, Schiff von unten abschrubben (den Rest, den ich vor Lanzarote nicht mehr gemacht hatte), Solarpanele vom Staub reinigen (bringt gleich ein paar Ampere mehr). Da wir zu träge sind, eines der Beiboote aufzuriggen, schwimmen wir zum beach und machen dort eine kurze Strandwanderung. Heller, gelber Sand, der ganz weich ist, fast wie Schlick. Man sinkt mit den Füßen bis zu den Knöcheln ein. Tolles Gefühl unter den Fußsohlen. Die Brandung ist wohl 1m hoch, ein trockenes Anlanden mit Gummi- oder Bananaboot - vom wieder in See stechen, gar nicht zu reden - wäre wohl nicht möglich gewesen. An diesem Strand ist auf der ganzen Länge kein Mensch außer uns, es gibt überhaupt keinen Müll, keine Muscheln, nur Sand. Im Anschluss an den Strand steigt der grün bewachsene, steinige Boden zunächst flach, dann immer steiler zu den Bergen dieser Insel an. Wir sehen nicht einen einzigen Weg. Am frühen Nachmittag sind wir dann wirklich ganz allein hier, als das andere Boot sich auf den Weg macht. Später kommt dann ein Kat, der aber in größerer Entfernung ankert. Ehepaar mit Kleinkind: das können nur Franzosen sein. Eine Flagge können wir aber nicht entdecken. Knallroter Sonnenuntergang vermittelt romantische Stimmung.

 

 

 

 

 

 

 

 

Freitag, 3. Dezember 2010, Santa Luzia

Dieser Tag hält mehrere Merkwürdigkeiten bereit. Als erstes steht die Ausklarierung auf dem Programm. Diesmal gehe ich alleine zu den Behörden und Christine macht Frühstück. Um Punkt 8 stehe ich bei denen auf der Matte, doch bei der Hafenpolizei, die offiziell um 8 Dienstbeginn hat, ist eine Putzfrau dabei, den Boden der Büros aufzuwischen. Um 20 nach 8 kommt dann ein Polizeibeamter, aber wir können noch nicht ins Büro, weil der feuchte Boden erst noch trocknen sollte. Also noch 5 Minuten warten. Dann wird der Papierkram erledigt, aber leider nicht abschließend, denn man erklärt mir, dass meine Schiffspapiere noch nicht zur Verfügung stünden, weil "my Friend", der den Schlüssel zum Aktenschrank hat, noch nicht da sei. Vielleicht in einer halben Stunde. Na toll. Also gehe ich zwischenzeitlich zu den "Pass-Jungs" und lasse mir dort die Ausreisestempel, mit Datum des kommenden Sonntags, geben. Damit können wir dann offiziell bis Montag bleiben. Danach gibt es dann auch bei den anderen Sheriffs die Bootspapiere zurück. Na also, hat doch nur eine Stunde gedauert.

Dann Wassertanks vollmachen, von den beiden Professoren (Sandrine und Hermann) verabschieden, und los geht's. Um 11 verlassen wir den Hafen. Das Log funktioniert mal wieder nicht, also ist der bekannte Tauchgang mit Bürste fällig. Wir wollen nach Santa Luzia, zur Nachbarinsel im Osten, 25 Seemeilen Strecke. Im Kanal zwischen Sao Vicente und Santo Antao haben wir den Wind gegenan auf dem Nordostkurs, leider auch 1,5 Knoten Strom. Später, als wir die Insel im Norden passiert haben, können wir dann für eine Stunde segeln, aber dann dreht der NO-Wind auf Süd und die Maschine muß wieder laufen. So viel Zeit haben wir nicht, denn um 18 Uhr wird es dunkel und bis dahin sollten wir am Anker liegen. Jetzt sind wir auf SO-Kurs, und haben schon wieder den Strom gegenan, und zwar ansteigend auf 3,0 Knoten! Also mehr Gas geben, aber es geht quälend langsam voran. Dann stelle ich fest, dass die cm93 Karten von Sta Luzia nicht stimmen können, denn wir fahren plötzlich über Land. Die GPS Maus liefert aber exakt die gleichen Daten wie das Bord-GPS. Also sind die Karten tatsächlich falsch. Davon hatte ich ja schon gehört, dass es so was gibt. Nun erleben wir es halt selbst. Um halb sechs geht es ans Ankern, aber diesmal brauchen wir 5 oder 6 Versuche, bis der Anker trägt. Wegen des schwachen Lichts können wir nämlich nicht mehr gut erkennen, ob wir über Sand oder über Steinen sind und bei den ersten Anläufen fällt das Eisen halt immer auf steinigen Grund. Auch der schließlich gut haltende Anker liegt in einem kleinen Sandflecken, nur 1 m vor dem nächsten Steinfeld, wie ich bei einem Tauchgang im letzten Büchsenlicht gerade noch feststellen kann.

Neben uns liegt noch ein einziges, französisches Boot. Die Insel ist unbewohnt, es gibt nicht ein Licht und alles, was wir sehen, ist Natur pur. Morgen wollen wir mal an Land schwimmen, das in der Dusche gut verstaute Schlauchboot wollen wir nicht wieder an Deck holen und mit dem Bananaboot würden wir in der Brandung am Strand wohl absaufen. Wahrscheinlich bleiben wir hier bis Montag. Die ersten Erfahrungen mit dem neuen Navigationsprogramm heute waren recht gut. Kein einziger Absturz.


 

 

 

 

  

 

 

 

 

 

 

Donnerstag, 2. Dezember 2010, Mindelo

 

Wir wollen morgen hier weg und deshalb ist dies wieder ein geschäftiger Tag, angefüllt mit Einkaufen (vorwiegend Obst und Gemüse und noch mal 36 Liter Mineralwasser) und einige Checks am Boot durchführen. So muss ich z.B. alle Schrauben der Hydrovane nachziehen, weil sich diese, trotz der selbstsichernden Muttern, bei Maschinenfahrt lose rütteln. Auf See kann man das Ruderblatt der Anlage nicht gut abbauen (abbauen ginge eigentlich schon, aber das Drankriegen ist bei Seegang zu riskant und vielleicht auch nicht möglich) und deshalb müssen wir die Vibrationen unter Motor in Kauf nehmen.  Bei unserer Einkaufsrunde machen wir auch noch einen Besuch auf dem Fischmarkt und schauen zu, mit welchem Affentempo da die flinken Hände der Arbeiter die Fische ausnehmen und entschuppen. Für letzteres haben sie als Werkzeug eine einfache Konservendose, deren unterer Boden von innen mit einem Dorn mehrfach durchstoßen ist und dadurch so etwas wie eine Reibe entsteht. Mit hoher Geschwindigkeit und großem Druck fliegen die Schuppen nur so durch die Gegend.  Auch das Ausnehmen geht ratzfatz. Ein Schnitt von unten schräg an den Kiemen entlang, dann ein kurzer Bauchschnitt, ein Griff in die Eingeweide, und draußen sind sie. Bei größeren Fischen ist die Prozedur noch etwas anders. Na ja, vom Zuschauen lernt man ja und vielleicht hilft mir das bei unserem nächsten Fang.

 

Gestern abend waren wir wieder im Club Nautico und haben eine dreiköpfige Crew aus Neuseeland kennengelernt, die schon 5 Jahre unterwegs sind mit einem 35 Fuß Schiff, das also deutlich kleiner als unseres ist. Wir glauben ja schon immer, wir müssten mit Wasser und Diesel sehr sparsam umgehen. Bei denen müssen 250 Liter für 3 Personen reichen, auf der Meltemi haben sie nur 120 Liter Diesel dabei, inclusive der 2 Reservekanister. So gesehen, sind wir mit unseren 590 Liter Wasser (incl. 2 Kanistern, die ich heute gefüllt habe) und 380 Liter Diesel gut bestückt. Auch über unsere französischen Stegnachbarn von der Faintaisy mit den zwei kleinen Kindern haben wir neues erfahren: Er ist Koch und hatte ein kleines Restaurant. Das haben sie verkauft und für 70.000 Euro eine gebrauchte 38er Beneteau erstanden, die sie dann in 2 Jahren wieder an den Mann bringen wollen und sich mit dem Erlös eine neue Existenz aufbauen. Seine Annahme, dann noch 60.000 zu bekommen, halte ich allerdings für reichlich optimistisch. Jedenfalls konnte ich ihm heute mit einigen Tips helfen, so z.B., dass er nächstes mal besser seine Maschine warm laufen lässt, bevor er den Ölwechsel macht. Dann dauert es auch keine eineinhalb Stunden, um die 5 Liter Altöl abzusaugen.

 

 

  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mittwoch, 1. Dezember 2010; Mindelo

 

Heute scheint erstmals hier in Mindelo den ganzen Tag die Sonne. Trotzdem verbringe ich mehr oder weniger den ganzen Tag unter Deck am Laptop mit administrativem Zeugs. Der wichtigste Erfolg des Tages ist die Installation des freien Navigationsprogramms opencpn, das es jetzt auch ermöglicht, die sailmail gribfiles korrekt darzustellen, was mir in MaxSea nicht gelungen war. Außerdem scheint das Programm nach erstem Begutachten bedienungsfreundlicher zu sein.

 

Christine begibt sich zum Waschsalon und ist ganz begeistert ob der freundlichen Servicekraft. Außerdem sei der Laden deutlich sauberer, als alles diesbezügliche, was wir auf der bisherigen Reise in Europa erlebt haben. Auf dem Fischmarkt schaut sie zu, wie Fische ausgenommen werden. Trotzdem soll das auch zukünftig meine Aufgabe bleiben. Wenigstens hoffe ich, dass ich dabei kluge Ratschläge bekomme.

 

Am Nachmittag laden wir Hermann und Sandrine zum Kaffee ein und bekommen auf ausdrücklichen Wunsch die Geschichte mit der Durchkenterung und den anschließenden 4 Tagen in der Rettungsinsel in ausführlicher Darstellung geschildert. Mein lieber Schwan! Das brauchen wir nun wirklich nicht, aber auch bei der Erzählung konnten wir wieder einiges lernen. Dann bekomme ich von Hermann eine CD mit Karibikcharts, die deutlich detaillierter als die CM93 sind. Super. Wie gestern und vorgestern, wollen wir auch heute abend wieder in den Club Nautico.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dienstag, 28. Dezember 2010, Nonsuch Bay, Antigua

Unser Aufbruch von Nelson's Dockyard ist für 11 Uhr geplant, vorher stehen Frühstücken, Abwaschen, Obst u. Gemüse einkaufen (das macht Christine), Wassertanks füllen, Marina bezahlen und von der Osprey-Crew verabschieden (das ist deshalb nötig, weil wir noch email-Adressen austauschen wollen) auf dem Programm. Bis die Lady im Marina-Office mal die Rechnung fertig hat, dauert es schon eine Weile. Hier ist nix mit elektronischer Rechnungserstellung, obwohl da jede Menge Computer rumstehen. Preis pro Tag und Fuß mal Bootslänge, mal Anzahl Tage, plus Wasserverbrauch (da muß erst einer von den Jungs zu unserem Schiff laufen und den Zählerstand ablesen) plus Tax plus wasweißichsonstnoch, so lange wie das dauert. Dann wollen wir noch Briefmarken kaufen für einen Brief nach Österreich, aber auch das gestaltet sich schwierig. Es gibt zwar ein Postoffice, das sogar mit zwei Personen besetzt ist, aber die Dame, die die Briefmarken verkauft, ist nicht da. Es weiß auch niemand, wann sie wiederkommt. Na prima. Also muss die Briefaufgabe warten.

Um 5 vor 11 läuft die Maschine und die Heckleinen werden eingenommen. Die ersten 40 Meter unserer Ankerkette können wir problemlos einnehmen, auch wenn es im Kettenkasten aussieht, wie im Schweinestall, denn der Grund hier im Hafen ist sehr schlammig. Mit den letzten 20 Metern wird es dann schwieriger. Da einige Charterboote fast im rechten Winkel zu uns an der anderen Pier liegen, muß wohl der eine oder andere seinen Anker über unsere Kette geworfen haben. Ein Angestellter der Charterfirma kommt mit dem Schlauchboot zu Hilfe. Einen fremden Anker hieven wir mit unserer Kette hoch, wobei unser Ankerspill ganz schön ins Schwitzen kommt und zwischendurch mal die Sicherung rausfliegt. Der Mann im Schlauchboot wuchtet den Anker über unsere Kette und wir denken schon, es ist alles fein. Aber nach kurzer Zeit, wir haben gerade mal weitere 6 oder 7 Meter eingeholt, ist schon wieder Schluss. Unser Spill will nicht mehr. Die Kette ist tight, tighter geht's nicht. Da meint der jetzt nicht mehr so hilfsbereite Kollege, da müssten wir wohl die Taucher vom dockyard rufen. Wahrscheinlich habe sich unser Anker unter einer Hurricanekette verfangen. Das sind dicke Ketten, die vor langer Zeit mal quer durch den Hafen gelegt worden sind, um daran Schiffe hurricanesicher vertäuen zu können. Einen kurzen Augenblick überlege ich tatsächlich, ob ich jemanden zu Hilfe rufen soll, weil das mehr als trübe Hafenwasser nicht gerade einladend aussieht. Aber so ein Taucher würde ja auch nicht mehr sehen, als ich. Außerdem würde es dauern, außerdem würde es Geld kosten. Also gehe ich doch selbst runter. Ist nicht tief, cirka 5 m, aber die Sichtweite unten am Grund beträgt gerade mal 10 cm. Ich ziehe mich an der Kette nach unten und merke bald, dass da noch ein anderer Anker samt Kette über unserer liegt. Da dieser dicht bei unserer Kette ist, kann ich ihn relativ leicht auf die andere Seite bringen. Aber unser Anker ist so fest im Schlamm eingegraben, dass er trotzdem nur sehr schwer rauszubringen ist. Da ich schon mal im Wasser bin, schrubbe ich ihn in Höhe der Wasserlinie mit einer Wurzelbürste halbwegs sauber, bevor Christine ihn an Deck holt. Profilaktisch noch mal schnell das Lograd säubern, dann geht es wieder an Deck.

Nach dieser Aktion ist es halb Zwölf und wir tuckern langsam aus Nelson's Dockyard. Die riesige Motoryacht Lady Beatrice (bestimmt 50 Meter lang) macht sich auch gerade auf den Weg und holt ihre beiden Anker auf. Ich denke, wir können zwischen der Luxusyacht und der Fuel- und Anlegepier der Slipway Marina durchfahren, da sind vielleicht 20 Meter Platz dazwischen, aber plötzlich werden wir sanft abgebremst, das Lot zeigt 0,0 Meter (unter Kiel) und wir stecken mit dem Kiel im Schlamm fest. Mit Rückwärtsfahrt kommen wir schnell wieder frei und fahren hinter dem Heck der Lady Beatrice, nun an ihrer Steuerbordseite, vorbei. In der Freeman Bay ankern nach wie vor dutzende Boote, die wir passieren. Draußen setzen wir Segel, müssen aber kreuzen, weil wir nun mal nach Nordosten wollen, und der Wind auch daher kommt. Da unser Ankerplatz, den wir ansteuern wollen, zwischen Korallenriffen liegt, sollten wir bei hochstehender Sonne dort ankommen. Deshalb nehmen wir die Segel nach 2 Stunden wieder weg und lassen den Diesel etwas schuften.

Um 1445 fällt unser Anker auf 8 m Wassertiefe in türkisfarbenes Wasser, etwa 100 m nördlich von der Insel Green Island und deren weißem Sandstrand, auf der anderen Seite 50 m südlich des Middle Reefs, deren Oberkante nur knapp unter der Wasseroberfläche liegt. Nach Osten hin ist diese Bucht durch ein vorgelagertes Riff vor Seegang, allerdings nicht vor Wind, geschützt. Es liegen schon ein halbes Dutzend Boote hier, die meisten deutlich größer als wir. Unser direkter Nachbar ist die Deep Blue, neben der wir schon in Aveiro vor Anker lagen. Wir gehen gleich mal schnorcheln, erkunden den Strand und den Ankergrund. Wohl wegen der Bewegung des Wassers kann man nicht tiefer als 2 m sehen. Der Grund besteht aus weißem, schlammigen Sand, der an den Händen kleben bleibt. Auch wenn ich nicht ganz bis zum Anker tauche, bin ich sicher, dass der in diesem klebrigen Matsch wie angeschweißt hält.

Dann ist eine kleine Inspektion des Unterwasserschiffs fällig. Im Heckbereich, das während der Fahrt unter Wasser, sonst aber über Wasser ist, haben sich kleine Entenmuscheln festgesaugt. Diese sind nur relativ schwer zu entfernen. Das sonstige Unterwasserschiff sieht aber nach wie vor sehr sauber aus. Dann rüttle ich mal am Ruder und muss leider feststellen, dass ich es auch von Hand in seitlicher Richtung deutlich im Lager bewegen kann. Meines Erachtens ist noch kein dringendes Einschreiten erforderlich, aber im Laufe der kommenden Monate müssen wir uns da wohl was einfallen lassen. Wahrscheinlich sind neue Lager fällig. Leider findet sich in meinem Eignerhandbuch von Jeanneau keinerlei Hinweis über die genaue Konstruktion dieser Lager oder gar akzeptable Toleranzen.